Re: [Debate] FYI: Zensur im Globalen Dorf - das Web und dieMeinungsfreiheit
Peter Ross <Peter.Ross@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx> writes:
>> aus meiner Sicht diskutieren wir an dieser Stelle ein rein
>> rechtstheoretisches Problem.
>
> Aus meiner Sicht diskutieren wir ueber ein rein technisches Problem;-)
Dachte ich mirs doch... ;-)
> naehmlich das der Archivierung von Mailinglisten, welches seit einigen
> Jahren praktiziert wird und dann von Juristen als rechtliches Problem
> "entdeckt" wird;-)
Gibt es dazu eigentlich bisher schon nennenswerte Literatur? Wir
könnten dazu publizieren... 8-) Ich hätte demnächst Zeit. Bei JurPC
habe ich gestern abend vor allem einen zweiteiligen älteren Beitrag
von Rigo gefunden... Ich werde demnächst mal Juris anwerfen... ;-)
Wie wäre es mit: "Mailinglisten-Archive zwischen Datenschutz und
Urheberrecht -- Aufklärungspflichten von Mailinglisten-Providern"?
> Die "Netzkultur" ist ja tatsaechlich ein gewachsener, zunaechst nicht
> regel-, aber gewissermassen rechtsfreier Raum.
>
> Einige Techniker hier auf der Liste kennen das noch aus Zeiten, als
> Verstaendigung auf Mailinglisten oder im Usenet ein Eintauchen in eine Art
> Subkultur war, die in der Oeffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wurde. Da
> sie nicht kommerziell gepraegt war, gab es auch keinen Druck, in dieser
> Hinsicht zu regulieren, desweiteren war der beschraenkte Nuzerkreis, der
> technisch versiert war, das Gefuehl, Selbstregulation via Nettikette etc.
> waere ausreichend.
>
> Und die Anfaenge dieser Netzkultur war ausserdem angelsaechsisch, speziell
> amerikanisch gepraegt und teilweise recht "hippiemaessig", dazu noch mit
> dem Unterbewusstsein des Elitaeren und einer Offenheit, die
> Laendergrenzen sprengt.
Vor allem muß es -- trotz der weltweiten Vernetzung -- eine sehr
kleine Gemeinde gewesen sein, in der man diejenigen, die über die
Stränge schlugen, sehr leicht ausfindig machen und ausschließen
konnte, sobald es zu Schäden kam. Auffällig ist etwa, daß die
Protokolle ursprüngliche nicht verschlüsselt waren. Man brauchte das
wohl nicht wirklich.
Die Netiquette ist heutzutage nicht mehr durchsetzbar. Ich habe es vor
ein paar Monaten mal auf einer juristischen Liste mit dem RFC für
Email versucht, man war teilweise durchaus interessiert, mittlerweile
ist dort aber längst wieder TOFU angesagt... Eine Steuerung nur durch
nicht-rechtliche Normen reicht deshalb heute nicht mehr aus. Insoweit
ist die Entwicklung des WWW ein interessantes rechtstheoretisches
Problem, und wenn ich es recht sehe, erscheinen dazu derzeit die
ersten Dissen und Habilschriften, die etwas tiefer bohren.
> Dann kam das WWW und dann der Kommerz und dann die Regierungen und dann
> die Rechtsanwaelte... und dazu noch die aller Laender.
>
> Fuer die "Alteingesessenen" des Internets gab es ploetzlich eine Welt
> voller "Autoritaeten", die die nur einmal vorhandene Weltoffenheit aus
> hundertfuenfzig Laendern bedrohen.
>
> Und teilweise mit recht fragwuerdigen Methoden, die auch von
> Unverstaendnis der technischen Moeglichkeiten und Unmoeglichkeiten des
> Internets zeugen, und oft mit der Ueberzeugung der Deutungshoheit
> versehen.
>
> Es ist auch das Ende eines Zeitalters. Siehe doch nur das Land, wo ich
> lebe, wo Kids zwei Generationen frueher allein barfuss zur Schule liefen,
> und draussen im Busch war einfach - sieh zu, dass Du klarkommst.
Die Entwicklung ging ja auch bei uns wirklich sehr schnell. Hier in
Frankfurt waren noch ca. 1997/98, als ich wohl das erste Mal vom
Internet hörte, praktisch nur solche Studenten online, die wußten, was
sie dabei tun. Der Account kostete extra und mußte beantragt werden,
und die Info bei unserer Bibliothek wußte auf Nachfrage nicht, "was
die da drüben an den Bildschirmen eigentlich tun". Heute bekommt jeder
Student bei der Immatrikulation unaufgefordert sein Login mitgeteilt
und muß den Account nur noch freischalten... und der Speicherplatz auf
dem Server (ursprünglich 10 MB) hat sich natürlich auch
vervielfacht... ebenso wie die Geschwindigkeit im Netz, natürlich ...
> Warum muss ich den Baum faellen, nur weil Leute so bloed sind, von da ins
> Wasser zu springen? Warum muss ich ein Listenarchiv vor Verschmutzung
> durch Privatadressen absichern, nur weil Leute so bloed sind, ihre eigene
> Adresse dort zu hinterlassen?
Weil Du durch die "Eröffnung des Verkehrs", also durch die Einrichtung
des Archivs erst die Voraussetzungen dafür schaffst, daß so etwas
passieren kann.
Jürgen.
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