Re: [Debate] FYI: Zensur im Globalen Dorf - das Web und dieMeinungsfreiheit
Rigo Wenning <rigo@xxxxxxxx> writes:
> mit dieser Deiner Begriffsdefinition wird _jede_ Buch, Zeitungs- und
> sonstige Veröffentlichung deren Autor man kennt zur
> Vorratsdatenspeicherung.
Dann schränke die Definition unter Bezug auf das Volkszählungsurteil,
aus dem ich zitiert hatte, so ein, daß dieses Problem, das Du siehst,
nicht mehr zutrifft! Ich sehe das Problem nicht, denn die Daten werden
vorsorglich aufbewahrt, und die Archivfunktion ist der einzige Zweck
hierfür. Das setzt eine Einwilligung voraus. Liegt sie vor?
An dieser Stelle reden wir seit ein paar Tagen über den Begriff der
"Veröffentlichung" aneinandner vorbei. Nochmals: Es gibt zwei
Veröffentlichungen:
(1) Das Versenden der Mail über die Liste. Darin willigt jeder ein,
der eine Mail an einen Listenverteiler verschickt. Diese Mail
wird den anderen Abonnenten der Liste zugestellt.
(2) Die Speicherung im Archiv und das Zugänglichmachen
(a) für Abonnenten
(b) für Nichtabonnenten der Liste und
(c) sogar für Suchmaschinen.
(2) a--c setzt IMHO eine ausdrückliche Einwilligung bezüglich aller
Punkte voraus, die das jeweilige Archiv verwirklicht, sonst ist es
nicht zulässig. Die entscheidende Frage ist dann, wie die Aufklärung
des Abonnenten aussehen müßte (bloßer Hinweis auf das Archiv oder
opt-in durch Anklicken eines Kästchens etc.; Hinweis darauf, daß das
Archiv auch von Suchmaschinen indiziert wird pp.).
>> Es ist wenig sinnvoll, wenn sich Techniker und Juristen jeweils
>> entgegenhalten, sie verfügten über die einzig richtige
>> Begrifflichkeit. Die Bedeutung eines datenschutzrechtlichen Begriffs
>> richtet sich allein nach Datenschutzrecht.
>
> Dieses Argument habe ich zu meinen Juristen-Zeiten zu oft gehört, um es
> noch gut zu finden. Es kam meistens raus, wenn Juristen nicht mehr in
> der Lage waren, die Technik zu verstehen. Sie haben dann einfach ihr
> Bild von der Technik genommen, in eine Definition gezwängt und nach
> dieser geurteilt. Die Folgen sind (zumindest hier) bekannt. FITUG ist
> initial genau dagegen gegründet worden. Ich rattere aber hier jetzt
> nicht alle Urteile herunter, die an eben jenem Fehler leiden.
Rigo, ich habe nicht den Eindruck, daß ich die technische Seite einer
Mailingliste nicht verstehe, wenn ich fordere, daß Beiträge aus
Mailinglisten nur dann in öffentlichen Archiven gespeichert werden
dürfen, wenn der Poster vorher darüber aufgeklärt worden ist und darin
eingewilligt hat. Wenn das eine Anforderung an eine ML-Software ist,
die bisher nicht erfüllbar wäre (geschlossene Archive existieren),
dann müßte dieses Feature nachträglich implementiert werden. So what?
Und das wäre dann die Aufgabe der Programmierer, nicht der
Juristen. Das Feature gibts aber ja schon.
Es gibt keinen technischen Grund, eine Grundrechtsverletzung zu
tolerieren. Wenn FITUG das umgekehrt sehen sollte, möge man es mir
bitte sagen. Dann wäre ich hier an der falschen Adresse.
Wenn eine Technik den rechtlichen Anforderungen, die an sie zu stellen
sind, nicht genügt, muß allemal die Technik an das Recht angepaßt
werden, nicht umgekehrt. Die Technik dient dem Menschen, nicht
umgekehrt, sonst wäre sie unmenschlich und deshalb gefährlich.
Es wundert mich, daß es so schwierig ist, das auf dieser Liste
verständlich zu machen. Wenn es zB um die Speicherung von
Verbindungsdaten bei Flatrate-Kunden geht, dürften wir uns doch
darüber einig sein, daß Daten, die für die Abrechnung nicht
erforderlich sind, nur solange gespeichert werden dürfen, wie es für
die technische Funktion unbedingt notwendig ist? Daß also der Umfang
und die Dauer der Datenspeicherung an die rechtlichen Anforderungen
anzupassen ist und nicht umgekehrt?
Grüße,
Jürgen.
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