Re: [Debate] FYI: Zensur im Globalen Dorf - das Web und dieMeinungsfreiheit
* Juergen Fenn:
> Das ist eine Variante (Nr. 1). Ohne Dir diesbezügliche Tendenzen zu
> unterstellen (wirklich nicht!), nur als Beispiel, wie gefährlich diese
> Denkrichtung ist: Die Figur "Juristen als Bremsklotz/ Bedenkenträger"
> geht unter anderem auf Adolf Hitler zurück, der voller Verachtung
> nicht nur für den Parlamentarismus, sondern auch für rechtliche
> Probleme im allgemeinen war, die ihm vorgetragen wurden. Der wollte
> damals schon "durchregieren" (Nr. 2), wie es unsere Frau Kanzlerin im
> letzten Bundestagswahlkampf nannte, und er hatte sich dazu das
> Ermächtigungsgesetz ausgedacht. Genaugenommen: Was kümmern uns denn
> auch das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte?
Dafür, daß Hitler Deiner Ansicht nach das Recht so wenig achtete, war
die Gesetzgegebung zu diesen Zeiten erstaunlich fleißig. Es war ja
nicht so, daß z.B. die Judenverfolgung im rechtsfreien Raum stattfand,
sondern sie wurde auch von den Organen der Rechtspflege gestützt.
Der Vergleich stimmt aber auch schon deswegen nicht, weil z.B. das
Wegsperren unwilliger Parlamentarier offensichtlich rechtswidrig war
und klar in Grundrechte eingriff. Ein Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung ist dagegen per se schon schwammig genug und
hierzulande nicht einmal kodifiziert. Juristen und Datenschützer
lassen sich lieber für diverse Spielchen instrumentalisieren, anstatt
das grundsätzliche Scheitern der vorhandenen Ansätze einzugestehen.
Warum ist der klassische Datenschutz tot? Ein paar Beispiele:
* Die Speicherung von personalisierten Browsing-Vergangenheiten
praktisch aller Internet-Nutzer durch nichtstaatliche Stellen ohne
Zweckbindung ist zulässig.
* Finanztransaktionen, Ernährungspräferenzen, Reiseziele sind nicht
schützenswerte Daten, auch wenn sie sich auf genau identifizierte
Personen beziehen.
* Automatisierte Einzelfallentscheidungen werden en masse
praktiziert.
* Nicht zulässig sind dagegen:
- Spam-Filter, Virenfilter
- digitale Forensik ohne Einwilligung des Betroffenen (auch im
Strafverfahren)
- allerlei Datenbanken zum Aufdecken von Betrug (z.B. bei
der Zulassungsvoraussetzung an Hochschulen)
- investigativer Journalismus, zumindest wenn er nicht beruflich
betrieben wird
- Übermittlung personenbeziehbarer Daten, die von anderer Stelle
ohne Rechtsgrundlage erhoben wurden, auch wenn sie geeignet ist,
Vermögensschäden beim Betroffenen abzuwenden
- Veröffentlichung von Photos von Personen der Zeitgeschichte,
insbesondere wenn Photos desselben Inhalts mit Billigung der
Personen am Markt erhältlich sind
* Das Ergebnis der datenschutzrechtlichen Beurteilung durch die
zuständige Aufsichtsbehörde ist nicht vorhersehbar.
* Es gibt in der Praxis so gut wie keine Sanktionen.
Achtung des Rechtes erfordert nun einmal, daß das Recht
Wirklichkeitsbezug hat. Das ist beim Datenschutz nicht anders als beim
Urheberrecht.
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