Re: Hohmann und Internet
Am 13.11.2003 00:27 schrieb vb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx:
On Wed, Nov 12, 2003 at 11:06:33PM +0100, Matthias Hannich wrote:
Wo ist jetzt der Widerspruch, wenn sie bei Hohmann anfangen?
Das sie es nicht ernst meint.
Das ist eine Behauptung.
Das ist richtig. Ich denke aber die Behauptung durch die Praxis bei
anderen Dingen belegen zu können. (Siehe die anderen Mails von mir.)
Wenn ich sage, dass Rassismus scheiße ist, und die "Türken" verteidige,
frage ich mich, warum man gleichzeitig die Araber rausschmeißt. Da
stimmt irgendwas nicht, irgendwo ist da Heuchelei versteckt, denke ich
zumindestens. (Das war jetzt ein aus der Luft gegriffenes Beispiel.)
Was ein Politiker öffentlich tut, ist politisch. Was ein CDU-Politiker
als solcher tut, betrifft die CDU.
Na gut, das kann ich schlecht abweisen und womöglich hast Du da wirklich
recht.
Hmm, wir müssen differenzieren. Auch Hohmann halte ich nicht für
rechtsradikal, sondern für rechts.
Das sehe ich anders. Rechte Positionen zu vertreten, und Antisemitis-
mus zu predigen ist zweierlei.
Und bei "Die Juden sind ein Tätervolk" und dem Bolschewismusunsinn
stellen sich einem die Nackenhaare auf.
Ja. Vielleicht ist der Begriff "rechtsradikal" auch schon so durch den
Dreck gezogen worden, auf Anhieb könnte ich jedenfalls nicht sagen, was
für mich dann rechtsradikal wäre.
Und genauso wie ihn, halte ich noch
eine ganze Menge anderer CDU/CSU-Mitglieder für "rechts" gesinnt.
Die, die so wie er "denken" (kann man diesen biochemischen Prozess,
der bei solchen Leuten abläuft, eigentlich "denken" nennen, oder
kennt jemand einen besseren Begriff dafür?), haben eigentlich in
der CDU nichts verloren.
hmm. Wie gesagt, ich meine nicht die, die so einen Stuss mittragen,
sondern die, die "vergleichbare" Thesen vertreten. (Ich sehe
Antisemitismus als eine besondere Form von Rassismus, daher meine ich
mit vergleichbar Dinge Hass gegen andere Religionen, Menschengruppen usw.)
Und die findet man bestimmt bei den meisten Parteien, vor allem in
solchen zusammengewürfelten wie den zwei großen.
Leider hast Du recht, auch ich kenne solche Pappenheimer in der CDU.
Ich vertrete ja die Auffassung, dass ein großer Teil der Bevölkerung
(also auch der Politiker) rassistische Vorurteile hegt und für richtig
hält oder verbreitet, manchmal sogar ungewollt oder unbewusst. Die
Grenzen sind fließend, weshalb mich auch nicht die Existenz dieser Leute
in den Parteien verwundert.
Grundsätzlich halte ich die CDU/CSU eher für rechtsgerichtet und
national/konservativ.
Das ist ja das merkwürdige an den Nationalisten, dass sie nicht
begreifen, dass niemand so sehr dem Ansehen Deutschlands und der
Deutschen in der Welt geschadet hat wie die Nazis. Eigentlich
müssten unsere "Patrioten" die allerersten sein, die antisemi-
tische Tendenzen aufs schärfste verurteilen und bekämpfen.
Mag sein. Ich sehe hier in meiner Umgebung zwei Tendenzen:
(1) - Die "Skins" schaden dem Standort und müssen weg. (Mit Skins meint
man alle die, die irgendwie in das Bild der Rechtsradikalen passen
könnten, die gewaltbereit sind...ungeachtet dem, was sie wirklich sind.)
(2) - Das sind ja "unsere Jungs, unsere Jugend. Die machen nix
Unanständiges und bei den ganzen Türken und Russen (wohlgemerkt, die
ostdeutschen Bundesländer haben einen erstaunlich geringen
Ausländeranteil) kann man ihnen ja nicht verübeln, dass sie was gegen
diese Sorten haben. Die sorgen mal für Ordnung, wenn die wieder Mädchen
anmachen."
Oft kommt sicher noch das "Totschweigen" und "Wir haben kein
Rechtenproblem" dazu. Im Grunde mag die Straßennazis aber niemand, und
die hat auch nie jemand gemocht. Für die Ideen, die diese symbolisieren,
sympathisiert man zum Teil trotzdem, kann man ja auch gut unter dem
Deckmantel der Demokratie. Dann macht man lustige Gesetze oder
schikaniert sie sonstwie, ist auch nicht viel besser.
Dies impliziert nach meiner Weltanschauung schon
ein bestimmtes Maß an Rassismus, nämlich dann wenn es um den Umgang mit
Fremden geht.
Nanana. Lass uns bitte noch differenzieren, wenn die Positionen nicht
so eindeutig sind wie bei Hohmann. Denk dran, man akzeptiert den
politischen Gegner, auch wenn man seine Meinung ablehnt.
Habe ich gegen diesen Grundsatz, den ich teile, verstoßen?
Zur Verdeutlichung: Jemand, der konservativ/patriotisch denkt, ist in
erster Linie auf die Deutschen in Deutschland bedacht, so meine
Erfahrung jedenfalls. Das heißt zweifelsfrei nicht, dass er Fremde
grundsätzlich ablehnt, aber er wird diese immer auch als Fremde und
nicht als Deutsche ansehen, auch wenn sie seit Ewigkeiten hier leben
oder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, hier geboren sind...
Auch wird man grundsätzlich nicht wollen, dass diese Ausländer hierher
kommen, außer sie passen sich zu 100% dieser "Kultur" an bzw. fallen
nicht auf.
Das ist äußerst hart an der Grenze zum Rassismus, auch wenn man nicht
Fremde grundsätzlich wertmäßig von Deutschen unterscheidet. In der
Praxis wird das aber gern gemacht ("Arbeit zuerst für Deutsche" hört man
doch schon ab und zu auch von Patrioten, die die Interessen der
Deutschen in diesem Land über die von Einwanderern oder Flüchtlingen
stellen. Diese Parole kann man auch beliebig "abschwächen", was dann
auch geschieht, sonst kann man einen ja zu schnell ins NPD-Lager
stellen, das will ja keiner.)
Braune Scheisse kann niemals zu einer Demokratie gehören; sie steht
immer außerhalb, und sollte von allen Demokraten bekämpft werden.
Ich teile die Auffassung, in der Praxis sieht das aber anders aus. Btw.
mit brauner Scheiße meinte ich alles rassistische, auch in den
"schwächeren" Formen, usw. Nicht nur die um sich schlagenden Hohmanns
und Neonazis.
Ich toleriere ja
eben jeden in dieser Demokratie und äußere meine Kritik gegenüber
bestimmten Taten.
Da unterscheiden wir uns - ich toleriere nur diejenigen, die auch
Andersdenkende tolerieren. Die anderen toleriere ich _nicht_.
In der Tat unterscheiden wir uns dahingehend.
Er bekam eine aufs Maul, weil seine Meinung Wählerstimmen hätte kosten
können. Aus Überzeugung hätte man ihn vermutlich nicht so ohne weiteres
rausgehauen, da spekulier ich jetzt aber nur.
Da spekulierst Du jetzt nur.
Mal ganz ehrlich: wir haben eine Menge Probleme in und mit unserer
Demokratie. Eine Menge läuft hier schief, was wir dringend grade
biegen müssen. Dann lass uns doch mal wohlwollend zur Kenntnis nehmen,
dass man solche braune Scheisse hier eben nicht mehr bringen kann,
ohne dass man kräftig eine auf's Maul kriegt. Und lass uns nicht
spekulieren, wie wohl die Motive derjenigen aussehen mögen, die
Hohmann da eine draufgehauen haben. Lass uns die Freude, dass mal
was funktioniert, und lass uns dann wieder die Dingen kritisieren, die
dringend verbesserungswürdig sind.
Auch das kann ich nicht zu 100% teilen, ich bin dahingehend vermutlich
zu pessismistisch/ängstlich: Ich halte den Rassismus für tief
festsitzend, weshalb ich zwar jede Form, ihn abzuwerfen, interessiert
beobachte. Ich kriege dann einen Hals, wenn man versucht Rassismus in
"gemäßigter Form" (Rassismus ist nie gemäßig) massentauglich oder
akzeptabel zu gestalten. Das ist das gleiche Spiel wie mit den
gewalttätigen Neonazis: Man sagt, sie seien böse, aber man sagts nicht
als überzeugter Antirassist/-faschist, sondern nur aus dem Interesse
heraus, dass es dem Land ja schaden könnte. Den Rassismus teilt man
selbst, wenn auch nicht in einer ausgearteten Form, die Gewalt auf der
Strasse unterstützt.
Es ist für mich untrennbar mit dem Problem verbunden, weshalb jemand es
auf welche Art und Weise lösen möchte.
--
Freundliche Grüße, ### http://www.stop1984.com
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