Re: Soll das patentierbar sein? Was soll patentierbar sein?
On 21 Sep 2003, at 13:24, Alvar Freude wrote:
> Das ganze Geplänkel um die nicht rechtmäßige Erteilung von
> Softwarepatenten ist doch nur Nebensache neben der Frage:
>
> Wie soll insere Gesellschaft mit mit "Erfindungen" umgehen und
> was sind "Erfindungen"?
>
>
> Das ist doch eine viel interessantere Frage.
Ja. Das stimmt. Sinnvollerweise sollte man aber das Urheberrecht in
die Debatte mit einbeziehen.
Die Frage koennte also beispielsweise lauten: "Welche Gestalt sollte
die Wissensoekonomie in den kommenden Jahrzehnten haben?"
Dabei muss es m.E. darum gehen, das marktwirtschaftlich-
kapitalistische "Intellectual Property"-System so anzulegen, dass
eine leidlich stabile Koexistenz mit alternativen "Intellectual
Commons"-Modellen moeglich ist.
Billyboy moechte vermutlich am liebsten mit den "Intellectual
Commons" aufrauemen. Stallman moechte wohl am liebsten "Intellectual
Property" abschaffen, insofern es im Umfang ueber das Minimum
hinausgeht, das er zur Aufrechterhaltung seiner GNU License unbedingt
benoetigt.
Ich vertrete einen kompromisshaften Mittelweg, bei dem beide Seiten
Federn lassen muessten. Die Proprietisten muessten demnach
Schrankenbestimmungen (=Beschraenkungen der Wirksamkeit erteilter
Schutzrechte in bestimmten Sachverhalten, _nicht_ Beschraenkung der
materiellen Schutzgegenstaende!) hinnehmen (z.B. das
"Quelltextprivileg"), und die Allmende-Communitarier muessten damit
leben, dass sie auf das System der Schutzrechte aktiv Ruecksicht
nehmen muessten.
Die Eurolinux-Koalition moechte das Problem durch Herumschrauben an
den materiellen Patentierbarkeitsvorraussetzungen loesen. Ich halte
das fuer falsch, weil es ungeeignet ist und nur dann wirkt, wenn man
de facto das ganze Patentsystem demontiert.
Meine Gegenposition zu der der Eurolinux-Koalition ist, dass man die
Schrankenbestimmungen so gestalten muss, dass die "Intellectual
Commons"-Wirtschaft ueberleben kann. Ich vertrete nicht die
Auffassung, dass die Allmende-Communitarier ein uneingeschraenktes
Recht darauf haben, voellig unbehindert von dem "Intellectual
Property"-System operieren zu koennen.
> Als zweites wünsche ich mir eine Antwort auf die zweiteilige Frage:
> (d) wie soll sicher gestellt werden, dass keine Patente auf schon
> vorhandene Erfindungen erteilt werden und
Dadurch, dass man entsprechende Qualitaetsstandards hinsichtlich der
Arbeit der Patentaemter durchsetzt. "Schon vorhandene Erfindungen"
uebersetze ich mal in den Ausdruck "im Stand der Tchnik enthalten"
des Patentjargons. Eine Aenderung des materiellen Rechtes ist m.E.
nicht erforderlich.
(e) wie soll sichergestellt
> werden, dass wenn ein solches Patent fälschlicherweise doch mal
> erteilt wurde (Fehler passieren immer und lassen sich nicht
> ausschließen), ein paar Jahre im Schrank schlummerte und dann zum
> Eintreiben von Lizenzgeldern übergegangen wird, dass dann Menschen
> oder Unternehmen, die sich keine teuren Prozesse leisten können, vor
> der falschen Eintreibung von Lizenzgeldern geschützt werden.
Ein zu Unrecht erteiltes Patent kann im Prinzip stets rueckwirkend
anulliert werden. In den USA ist das aber in der Praxis haeufig ein
steiniger Weg.
In Europa gibt es das Einspruchsverfahren, d.h. bis zu 9 Monate ab
erteilung kann man ein vom EP erteiltes Patent per Einspruch
angreifen. Dieses Verfahren ist in der Praxis wesentlich billiger und
risikoaermer als eine Nichtigkeitsklage. Nach den 9 Monaten kann man
_derzeit_ leider ein EP-Patent nur Land fuer Land per nationaler
Nichtigkeitsklage vernichten. In Zukunft wird es aber wohl ein
zentralsiertes Nichtigkeitsverfahren auch fuer EP-Patente geben. Auch
das EU-Gemeinschaftspatent wird, sollte es je verwirklicht werden,
zentral vernichtbar sein.
Eine interessante Entwicklung der letzten Jahre sind Diskussionen um
"Patentversicherungen". Ein Unternehmen kann sich gegen
Verletzungsrisiken versichern, wenn es in einem Audit belegen kann,
das es genuegend tut, um Verletzungen Patente Dritter nach
moeglichkeit erkennen und vermeiden zu koennen.
> Auf diese Frage wäre auch eine mögliche Antwort: "das ist dann eben
> Pech (d) und (e) das Recht des Patentinhabers muss unter allen
> Umständen gewahrt bleiben". Oder: "(d) kommt nie vor, damit ist (e)
> hinfällig".
Ein Patent kann stets ex tunc (von Anfang an) rueckwirkend vernichtet
werden, wenn sich herausstellt, das es nicht haette erteilt werden
duerfen.
--AHH
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