Re: Lässt sich das patentieren?
On 18 Sep 2003, at 21:46, Jan Luehr wrote:
> würde die Energie und Signalübertragung durch zylindrische Schläuche
> mit einem metallischen Kern patentierbar sein. Kann das BITTE wer
Wenn das noch neu waere und darueber hinaus einen erfinderischen
Schritt beinhaltet, dann wohl ja. Technisch hoert es sich ja
zumindestens 'prima facie' an.
> machen? Wenn Fortschrittsbalken, etc. durchgehen, muss das doch auch
> möglich sein, oder?
Warum?
Bitte unterscheidet:
Einerseits: Das geltende materiellrechtliche Erfordernis der Neuheit
und des erfinderischen Schrittes gegenueber dem "Stand der Technik"
(= Menge desjenigen, was der Oeffentlichkeit schon zugaenglich
gemacht worden ist), und
Andererseits: Eine hie und da moeglicherweise unbefriedigende
Ausfuellung der oben genannten materiellrechtlichen Erfordernisse in
der taeglichen Praxis der Patentaemter.
Im Gegensatz zum Marken- und Domainrecht gibt es im Patentrecht
materiell-rechtlich kein "Grabbing": Das was der Oeffentlichkeit
schon zugaenglich gemacht worden ist, scheidet aus dem Kreis des
Patentierbaren aus, ebenso alles, was zu wenig Abstand hat von dem,
was der Oeffentlichkeit schon zugaenglich gemacht worden ist. Man
kann nicht etwas im grossen Topf des "Standes der Technik" erspaehen
und dann sagen: "Das will ich fuer mich monpolisieren". Wenn man was
patentieren will, mus man zuerst was Neues schaffen, das am
Anmeldetag der Patentanmeldung einen gewissen Mindestabstand zum
Stand der Tachnik hat.
Wenn man Patente im Hinblick auf "Fortschrittsbalken" etc.
betrechtet, muss man also immer vom Stand der Technik am Anmeldetag
ausgehen.
Wenn man bisweilen bei dem einen oder anderen erteilten Patent den
Eindruck gewinnen koennte, dass die Praxis der Patentaemter den
materiell-rechtlichen Anforderungen nicht genuegt, dann ist die
notwendige Antwort darauf nicht eine Veraenderung des materiellen
rechtes, sondern eine Reform der Arbeitsweise der Patentaemter.
Der Streitstand hinsichtlich des Erfordernisses der "Technizitaet"
oder des "technischen Beitrages" ist ja hier wohl genuegend bekannt.
Betrueblich ist vor allem der ungeheure Erfolg, den die Eurolinux-
Truppe mit ihrer gebetsmuehlenartigen Luegenbehauptung hat, das EPC
gestatte in seiner jetzigen Fassung keine Patente auf computer-
implementierte Erfinungen, derartige von EPA erteilten Patente seien
unrechtmaessig und ueberaupt wuerden durch die EU-Direktive diese Art
von Patenten rueckwirkend und vor allem fuer die Zukunft legalisiert
bzw. "eingefuehrt".
Es gibt seit langem Patente auf computer-implementierte Erfindungen,
und diese Patente sind im Grundsazu rechtmaessig erteilt worden, weil
die zur Entscheidung ueber die Auslegung des EPC bzw. des PatG
berufenen Organe und Personen ihren legitimen Spielraum bei der
Interpretation des kodifizierten rechtes in formal korrekter Weise
genutzt haben. Das das Ergebnis manchem nicht passt, ist eine ganz
andere Frage.
Die Mitglieder der Beschwerdekammern des EPA geniessen richterliche
Unabhaengigkeit in ihren Entscheidungen genauso wie die Richter beim
BGH. Das was sie sprechen, ist Recht, Richterrecht eben.
Richterschelte waere ja noch legitim. Die Eurolinux-Behauptung,
dieses im Laufe der Zeit entstandene Gebaeude an Richterrecht
bezueglich Patenten auf computer-implementierte Erfindungen sei
insgesamt illegal/illegitim, ist inhaltlich de facto nahezu
gelichbedeutend mit der Aussage, die Mitglieder der Beschwerdekammern
und/oder die betreffenden BGH-Richter haetten Rechtsbeugung
betrieben. Diese (implizit bei Eurolinux stets mitschwingende, hie
und da auch mal semi-explizit ausgesprochene) Behauptung ist einfach
ungeheuerlich und stellt das Prinzip der Gewaltenteilung mit der
darin enthaltenen Funktion der unabhaengigen und nicht an Weisungen
gebundenen Judikative in Frage.
Publizistisch ist das, was Eurolinux da unter der Aegide von phm
verzapft hat, aber natuerlich ungeheuer wirksam, wenn man die
Oeffentlichkeit, insbesondere aber die Journalisten, die haeufig eh
kaum Durchblick durch das ziemlich abstrakte Patenrecht haben, mit
Bilderassoziationen von bevorstehenden "Dammbruechen" und
Kassandrarufen der "unmittelbar bevorstehende Einfuehrung" von
"Softwarepatenten" beeindrucken kann.
Diese Rechnung ist bis hin zur F.A.Z. und der FTD aufgegangen.
Richtiger werden diese Behauptungen dadurch auch nicht.
Mit der Feststellung, dass die bisher erteilten Patente auf computer-
implementierte Erfindungen rechtmaessig waren (abgesehen von solchen
Faellen, wo die Aemter moeglicherweise mit der Neuheut und/oder dem
erfinderischen Schritt geschlampt haben), ist natuerlich die
rechtspolitische Frage, wie denn in Zukunft das Patenecht in diesem
Punkt gestaltet werden soll, noch laengst nicht beantwortet.
Aber: Eurolinux geht es ja mittlerweile rechtspolitisch nicht mehr
"nur" um "Softwarepatente". Wer "e-Patente" insgesamt abschaffen will
(was auch immer das genau sein soll), der will im Grunde das
Patentrecht fuer wesentliche Technologiebereiche (u.a. fast die
geamte E-Technik) abschaffen. Damit wird Eurolinux scheitern, egal
was das Europaeische Parlament in Bruessel beschliesst.
--AHH
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