Re: Soll das patentierbar sein? Was soll patentierbar sein?
Hallo,
ein Beispiel meinerseits:
Ich habe in Deutschland ein Firmennetz administriert, welches auf mehrere
Gebaeudeteile (Berliner Hinterhoefe eines alten Kontorgebaeudes) verteilt
war.
Zwischen diesen Gebaeudeteilen bestanden mehrere Glasfaserverbindungen.
Die Verbindungen waren jahrelang stabil, irgendwann hatten wir mal ein
Problem, was zeitweise zur Halbierung der Bandbreite zu einem Gebaeudeteil
fuehrte. Das veranlasste mich dazu, dass bis dahin sternfoermige Netz von
einem zentralen Router zu befreien, in eine Ringstruktur umzugliedern, an
der zwei Router an jedem Segment haengen und bei Bedarf weiterleiteten.
Eine Anmietung eines weiteren Gebaeudeteils kurz zuvor machte das
moeglich.
Das musste nun mal wieder fix gehen, weil (von mir nicht vorausgesehen)
die halbe Bandbreite als echtes Produktionshindernis erwies und die Leute
ueber eine halbtaegige Bastelei ohne Netz auch nicht gluecklich gewesen
waeren. (Geplant hatte ich das schon, der Ausfall war aber schneller als
ich..) Und da ich zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Erfahrung mit
Routingprotokollen hatte (BGP und Auspuff etc. waren mir gerade mal grob
namentlich bekannt), habe ich es simpel halten wollen.
Also: Wenn ein Router merkt, dass der andere nicht mehr funktioniert,
uebernimmt der dessen IP-Adresse (genauer einen Alias auf ein Interface)
und wird so zum Defaultrouter fuer die Clients in diesem Segment. Zum Test
des "anderen" Routers diente ein einfaches ping mit gewisser Verzoegerung
(ich glaube: "Uebernehme, wenn es zweimal nicht antwortet") und der andere
uebernimmt erst wieder, wenn er dem anderen "Bescheid" gesagt hat, dass er
wieder verfuegbar ist (und der nunmehrige "Master" dann wieder abgibt)
Die Uebernahme ist ein bisschen verzoegert, weil die Clients im ARP-Cache
eine andere Ethernet-MAC-Adresse fuer die IP-Adresse haben, und es deshalb
bis zum Timeout des ARP-Caches zum Ausfall dieser Verbindung kommt.
Damit konnte ich aber leben, weil diese Uebernahme nicht der Alltag war
und das bei zweimal im Jahr akzeptabel schien.
Tja, inzwischen ist die Wirkungsweise als RFC standardisiert, heisst VRRP
und freie Entwicklungen und Anwendung dieser sind rechtlich auf wackligen
Beinen, weil Cisco sich ausschweigt, ob die Implementierungen statthaft
sind (der RFC betont, dass hier keine Aussage zu patentrechtlichen
Problemen gemacht werden, es ist allerdings durchaus nicht unueblich,
dass man zur Durchsetzung RFC-genormter Protokolle von der Anwendung von
Patentrechten absieht.)
Der Standard verwendet Multicast-UDP statt meiner ping-Implementierung und
hat das ARP-Problem minimiert, indem ein Interface auch gleich die andere
Ethernet-MAC-Adresse "untergejubelt" bekommt und so die Paketzustellung
sofort wieder funktioniert (ich glaube, das konnte ich mit den vor Jahren
verwendeten Solaris-Versionen gar nicht erreichen - oder ich habe es nicht
gewusst) Zusaetzlich definiert das Protokoll (oder nur die
Implementierungen? - weiss ich jetzt nicht) noch Prioritaeten, damit es
fuer mehr als zwei Router funktioniert.
Dies sind aber m.E. lediglich Nuancen, die zur Implementierung des
Protokolls gehoeren und keine prinzipiellen Unterschiede.
Mir wird es schwer fallen, nachzuweisen, dass ich bereits Jahre vor der
Patentierung dieses Prinzip benutzt habe. Ich bin auch ziemlich sicher
nicht der erste, der auf die Idee gekommen ist. Und ich finde es ziemlich
trivial - jeder auf dieser Liste mit etwas TCP/IP-Wissen wird, wenn ich
mich nicht zu schlecht ausgedrueckt habe, ziemlich schnell begriffen
haben, was ich da getan habe.
Mich stoert es, dass freie Entwicklungen auf rechtlich so wackligen
Fuessen stehen, kann aber, obwohl ich davon ueberzeugt bin, dass dieses
Verfahren fuer Cisco nicht patentreif war, kaum etwas dagegen tun. Mir
fehlen wohl 1. Beweismittel, 2. Ahnung, wie ich einen Einspruch
bewerkstelligen sollte, 3. das Geld fuer einenm guten Anwalt, der das
vertreten kann.
Deshalb waere es mir lieber, es wuerde nicht moeglich gewesen sein, dieses
Patent zu erteilen. Da mein Einfluss auf Patentrichter (und der vieler
Nutzer und Entwickler freier Software) wesentlich geringer ist, als der
von Grossunternehmen wie Cisco, verspreche ich mir da mehr davon, solche
Patente in der Gesetzgebung bereits moeglichst zu behindern. Dass auch
hier mein Einfluss relativ begrenzt ist, sieht man auch gerade.
Man kann de taz dafuer hassen, dass sie auch zu Bild-artigen Schlagzeilen
greift. Allerdings muessen gerade Stimmen, die nicht besonders laut sind,
gelegentlich zu solchen Mitteln greifen, um ueberhaupt gehoert zu werden.
Die Wahrheit ist leise. (Sprichwort)
(BTW - etwas abseitig) : Die demokratische Verankerung des Raumschiffs
Bruessel scheint mir bis jetzt noch nicht besonders weit gediehen zu sein.
Machtvolle Institutionen wie der Rat der Ministerpraesidenten und die
EU-Kommision sind, zumindest wenn man deutsche Gepflogenheiten als
Massstab nimmt, bei wichtigen Entscheidungen kaum der Kontrolle anderer
Gewalten unterworfen, und wer im EU-Parlament sitzt, ist weitgehend
unbekannt. Es gibt kein europaeisches Volk, was dafuer Interesse
aufbringt.
Europaeische Grossunternehmen interessiert das schon. So wird de facto in
Bruessel, Strassbourg etc. Politik unter einem sehr starken Einfluss der
Grossindustrie ohne nennenswerte Kontrolle "von unten" gemacht.
Die Menschen des Nordens sind traditionell skeptisch gegen solche
Machtkonstellationen. Dass es dort ueberhaupt zu Referenden kommt und dann
auch noch zu ablehnenden (wie das Euro-Referendum in Schweden) ist sehr
auf diese Mentalitaet zurueckzufuehren.
Und es geschieht selbst gegen den Willen der dortigen Politiker. Bei denen
war sicherlich oefter mal Volvo-Lobby zu Gast, um sich Gehoer zu
verschaffen?
Gruss
Peter
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