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Re: [phm@xxxxxx: [ffii] Ratspraesidentschaft "beschliesst" Softwarepatent-Vereinbarung]



On 9 Mar 2005, at 10:44, Rigo Wenning wrote:

> Axel, wenn Du schon über KMU's redest. Kannst Du abschätzen (in 10k
> schritten), was ein Prozess wegen Verletzung eines Patents auf
> computerimplementierte Erfindung gegen einen dicken Fisch wie
> IBM/MS/Siemens etc kostet? 

Das haengt vom Streitwert ab.

> Das Problem ist doch, dass ein Patent eine Rechtsposition herbeiführt,
> die man nachher sehr gut durchsetzen kann, also ein strategischer
> Vorteil der Grossen die viele Patente produzieren. Es ist auch so,
> dass die KMU's eben gerade nicht an den cross-license-agreements
> teilnehmen. Insofern ist das Patent ideal, die KMU's vom Markt
> auszusperren: Kein cross-license und nicht genug Geld, sich wirklich
> zu wehren. 

Man sollte IMHO nicht unbedingt davon ausgehen, dass alle Unternehmen 
alle patentierten Technologien nutzen koennen sollten - das ist ja 
gerade das Prinzip beim Patent. Die Tatsache, dass irgendwo ein 
Verletzungsprozess stattfindet, zeigt haeufig an, dass vorher schon 
einiges schiefgegangen ist.  

Das primaere Problem scheint mir daher eher darin zu liegen, dass die 
Unternehmen ein Gefuehl dafuer bekommen muessen, was von dem was, sie 
so jeden Tag machen, durch Patente Dritter abgedeckt sein koennte.

Das geht in der Praxis definitiv _NICHT_ so, dass man im Unternehmen 
jahrelang herumwurstelt, als ob es das Patentsystem ueberhaupt nicht 
gaebe, und dann ploetzlich aufschreit, weil man fuerchtet, schon 
allzu lange Patente Dritter verletzt zu haben. Da hilft dann auch 
kein Patentanwalt, dem man einen Auftrag andienen moechte, gegen 
moeglichst wenig Geld einen moeglichst umfassenden "Persilschein" 
auszustellen, der nach einer Patentrecherche dem Unternehmen 
bescheinigt, dass man ja eigentlich gaaar keine Patente verletzt.  

So laeuft das normalerweise nicht.

Mir kommt die Haltung mancher KMUs im IT-Bereich zum Patentsystem so 
vor, als ob jemand einen Laden aufmacht und jahrelang keine Steueren 
bezahlt und dann irgenwann voellig ueberrascht ist, dass es 
ueberhaupt sowas wie das Finanzamt gibt.    

Patentinformationen sind heute billig verfuegbar, auch fuer KMUs. Es 
gehoert m.E. zum  unternehmerischen "kleinen Einmaleins", dass man 
sich _vor_ dem Beginn einer Produktentwicklung umsieht, welche 
Patente z.B. die wichtigsten Mitbewerber auf der Pfanne haben und 
dann kontinuierlich waehrend des gesamten Entwicklungs- und 
Markteinfuehrungsprozesses die Patentlage weiterbeobachtet.

Wenn man als Unternehmer oder sonstwie Verantwortlicher allerdings 
beim Betrachten eines Patentdokumentes koerperlichen Brechreiz 
verspuert, hat man ein Problem. Etwa genauso wie jemand, dem uebel 
wird, wenn er ein Finanzamtsformular sieht. Oder einen komplizierten 
Vertrag mit 20 Seiten Kleingedrucktem. Alle diese Sensibilitaeten 
waeren deshalb keine guenstigen Vorausstzungen fuer eine erfolgreiche 
unternehmerische Taetigkeit. Lawyer-Bashing mag in dieser Situation 
gut fuer die persoenliche Stimmung sein, hilft aber nicht wirklich 
weiter.   

In der Erfahrung von KMUs, die wie oben beschrieben, eine hohe Patent-
Awareness zeigen, ist es selten, dass Grosskonzerne ploetzlich und 
unvermutet mit dem Holzhammer vor der Tuer stehen. Der Alltag wird 
eher bestimmt durch das fortwaehrende rechtzeitige Detektieren von 
potentiellen Patentproblemen, Auffinden von Alternativ- und 
Umgehungsloesungen (die sich manchmal am Ende sogar technologisch als 
vorteilhaft erweisen koennen), Sondieren von Lizensierungsprojekten 
(haeufig gegenueber Patentinhabern, die auch nur KMUs sind!) oder 
Suchen nach Stand der Technik, um dem gegnerischen Pateninhaber ein 
kostenloses Mitbenutzungsrecht abtrotzen zu koennen. Ausserdem 
erkennt man an den Patentaktivitaeten der Wettbewerber fruehzeitig, 
wohin die Reise dort gehen soll, was unternehmensstrategisch auch 
ganz gut ausgeschlachtet werden kann. Sowas ist "Business as usual", 
nicht der ganz grosse Showdown, der von den Patentgegnern immer 
wieder gerne in den grellsten Farben ausgemalt wird.        

Im Prozess sind die "Grossen" pekuniaer uebrigens immer im Vorteil - 
nicht nur im Patentbereich. Wenn man als KMU ein grosses Projekt mit 
einem Mega-Konzern als Kunden abwickelt und der Kunde nicht zahlen 
will, weil angeblich dieses oder jenes nicht gestimmt hat, dann ist 
das u.U. auch ganz schoen muehsam bis illusorisch, das geforderte 
Geld in einem langen und teuren Instanzenweg einklagen zu wollen.  

--AHH


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