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Re: Das Stuttgarter Linkurteil: Eine Verschwörung dummer Juristen?



Am 12 Oct 2004, um 15:33 hat Oliver Gassner geschrieben:

> 
> >Abschliessend bleibt festzuhalten, dass die Vorschlaege des Artikels,
> >was in der muendlichen Verhandlung besser zu machen gewesen waere, z.T.
> > schon prozessual unzulaessig gewesen waeren und insgesamt wenig
> >durchdacht sind.
> 
> Woran lag es damnn Ihrer Ansicht nach, dass die Richterin doku- und
> satireblind war oder sein wollte?

Waren wir nicht schon mal per Du? ,-) Ich moechte hier keine 
Mutmassungen anstellen. Wenn das schriftliche Urteil vorliegt, dann 
werde ich eine klare Einschaetzung dazu haben. Ich glaube aber nicht, 
dass die Richterin nachgearbeitet hat, wie die Rechtsbegriffe der 
staatsbuergerlichen Aufklaerung, der Berichterstattung und der Satire 
vom BVerfG und vom BGH definiert werden.

Amstgericht ist einfach Massenjustiz und wenn dann mal Faelle kommen, 
die aus dem Rahmen fallen und sich fuer einen Richter nicht ganz 
alltaegliche Sach- und Rechtsfragen stellen, dann kann man sich 
einarbeiten oder vor der Materie kapitulieren. Letzteres hat m.E. diese 
Richterin gemacht. 

Ein Zuschauer meinte, sie sei ueberfordert gewesen und haette dies zu 
ueberspielen versucht. Ich habe von verschiedenen Leuten die da waren, 
sehr unterschiedliche Meinungen gehoert. Der Eindruck, Sie sei gut 
vorbereitet gewesen und haette ueber eine gewisse Netzkompetenz 
verfuegt, hat sich mir jedenfalls nicht aufgedraengt. Ich sehe auch 
nicht, welche Umstaende fuer diese Annahme sprechen. 

Ich bin auch nach wie vor der Auffassung, dass die Voraussetzungen fuer 
eine Verfahrenseroeffnung erst gar nicht vorgelegen haben, was wir im 
Zwischenverfahren schon ueber ca. 5 Seiten dargelegt haben. Die Akte 
lag dann mehre Monate beim Gericht, anschliessend wurde die Anklage 
unveraendert zugelassen. Zumindest in der Theorie musste das Gericht 
die Sache schon fuer den Eroeffnungsbeschluss eingehend pruefen. 

Auch in der Verhandlung habe ich nicht den Ansatz einer juristischen 
Begruendung erkennen koennen, was irgendwie zum Zwischenverfahren 
gepasst hat. 

> 
> Ich jedenfalls hatte den *Eindruck*, dass mehr über 'wann war was'
> diskutiert wurde, als dargestellt wurde
> 
> * "A. ist eine Satire, denn... weil..." (es kam eher. A st eien
> Satire, denn der Vorschlag ist grotesk, das sieht ja jeder.'
> Offensichtlich sah es die Richerin nicht.
> 
> * Oder "B. ist eine Dokumetation, sie listet folgendes auf etc. und wäre
> ohne die Nennung der Links nicht vollständig."

Diese Einwaende sind ja nicht ganz unberechtigt. Nur ist es schwierig, 
wenn man ganz vorne anfangen muss. Ich muss dann also zuerst damit 
beginnen, wie staastbuergerlcihe Aufklaerung, Berichterstattung und 
Kunst im juristischen Sinne zu definieren ist, weil sonst ja unklar 
bleibt, welche Kriterien massgeblich sind. Wenn ich das mache dann 
bekomme ich - wie ja auch geschehen - zu hoeren, dass ich mir meine 
Rechtsausfuehrungen fuers Plaedoyer aufheben soll. Dann muss man 
einzeln erlaeutern, warum im konkreten Fall eine Berichterstattung, 
staatsbuergerliche Aufklaerung und Satire vorliegt. Das erfordert eine 
Bewertung vieler einzelner Aspekte.

> 
> Dass 'Kunst' ein Rechtsbegriff ist, ist mir allerdings neu. 

Wenn er im Gesetz steht, dann ist er auch ein Rechtsbegriff. Ich sagte 
nicht, dass es sich ausschliesslich um einen Rechtsbegriff handelt.

Aber die
> Literaturwissenschaftler reden ja auch über 'Schuld'. Dann sind die
> beiden Wissenscaften wieder quitt.
> 
> Kann man nun wirklich nicht Zeugen über ihren Eindruck befragen? Oder
> jemand vom Wiesenzthal-Zentrum o.ä.

Nein. Ein zulaessiger Beweisantrag setzt voraus, dass eine konkrete 
Beweistatsache benannt wird. Eindruecke von Zeugen sind keine 
Tatsachen. 
 
> 
> Dass die Dokumente aus den USa volksverhetzend sind, daran zwiefelt ja
> keiner, aber wie ich schrieb: Slebst ein junher jüdischer Journalist,
> ich schätze: mitte 30, findet solche Links OK und er ist sicher nicht
> allein.

Das mag zwar stimmungstechnisch interessant sein, ist aber fuer die 
juristische Bewertung irrelevant. 

Gruesse

Thomas Stadler

Thomas Stadler
ts@xxxxxxxx
http://www.internet-law.de
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Rechtsanwaelte Alavi Froesner Stadler
Jahnstr. 11, 85356 Freising
afs@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
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