Hallo Liste, bezüglich der Diskussion hier über die Verhandlung möchte ich mal ein paar Sachen zusammenfassen und klarstellen. Einige der Zuschauer und einige der hier schreibenden waren wohl enttäuscht über mich. Wahrscheinlich haben sie gedacht: oh da kommt der Superheld und mäht den bösen blöden Staatsanwalt nieder, legt eine Super-Show hin und kriegt einen Freispruch. Liebe Leute, vergesst das, so läuft das nicht. Je höher die Ansprüche desto tiefer der Fall. Und ich bin mir sicher, dass gerade diejenigen, die hier groß herumseiern, es selbst auch nicht besser gemacht hätten. Wart Ihr schon mal Angeklagt in einem Strafverfahren? Mit einer unfreundlich-kalten Richterin? Natürlich hätte man das eine oder andere anders machen können, natürlich hätten wir eine andere Taktik wählen können, natürlich habe ich einige Sachen gemacht/gesagt, die ungeschickt waren. Natürlich sind Fehler passiert. Wo passiert das nicht? Wem wären keine Fehler passiert? Und ebenso natürlich habt Ihr nur einen Teil der ganzen Geschichte mitbekommen: nahezu alle Punkte die Ihr kritisiert, wurden bereits im Vorverfahren angesprochen. Die erste Stellungnahme von Thomas Stadler gibt es auf der ODEM-Website zu lesen: <http://odem.org/aktuelles/stellungnahme.de.html> Und: ja, es ging bzw. geht um eine Grundsatzdiskussion. Sowohl dem Staatsanwalt als auch mir. Ihr habt ja mitbekommen: der Staatsanwalt will ein Grundsatzurteil (das war vorher natürlich nicht bekannt) und will bis zum OLG gehen. Und ich hätte nichts anderes als einen Freispruch akzeptiert: auch keine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit. Ansonsten ging es darum, möglichst ruhig und ohne direkte Angriffe auf den Staatsanwalt auszukommen. Ich kann ja durchaus auch mal giftig und laut werden, wenn einer Mist erzählt -- nur das ist in so einer Situation nicht wirklich sinnvoll. Und es ging explizit darum, den Hintergrund von ODEM und der Projekte zu erläutern. Ihr könnt Euch doch nicht allen ernstes beschweren, es sei kein Kontext da und gleichzeitig mir vorwerfen, dass ich genau diesen versucht habe darzustellen. Ich sehe es in der Zwischenzeit so: in der vorhandenen Personalkonstellation wäre es so oder so zu einer Verurteilung gekommen. Und ob das nun 60 oder 120 Tagessätzte sind: nungut, darauf kommt es auch nicht mehr an, da ja die nächste Instanz ruft ... Ihr vergesst auch, dass die Richterin letztlich in verfassungswidriger Weise ihren eigenen Kunstbegriff angewandt hat. Und dass sie, ohne jegliche Begründung Links als Verbreiten und Zugänglichmachen ansieht (hat in dem Zusammenhang jemand das Wörtchen "weil" gehört?). Und hiermit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt: Diejenigen unter Euch, die Links pauschal als potentiell strafbares Verbreiten und Zugänglichmachen ansehen, müssen auch sagen dass ... - eine Antwort auf die Frage "Was soll denn konkret gesperrt werden" strafbar ist wäre - sich die Verantwortlichen des FITUG e.V. strafbar machen würden, da auf der Website bekanntermaßen im Archiv die URLs verlinkt sind - das FITUG-Listen-Archiv umgehend gesäubert werden müsste - diejenigen, die die URLs in Newsgroups, Mailinglisten, Chats und Foren nennen, sich strafbar machen würden - die Frage "hallo, was haltet Ihr von ..." strafbar wäre - die Linkliste von Burks ebenso illegal wäre wie ein Verweisen auf diese - Links auf zweifelhafte Websites, auch zivilrechtlich zweifelhafte, verboten sein sollten - und dass damit also die gesamte Diskussion über die betreffenden Websites unmöglich wird und die Diskussion über die Sperrverfügungen nur noch eingeschränkt möglich wäre. Dies betrifft dann auch nicht nur das Strafrecht, sondern auch in den verschiedensten Zusammenhängen das Zivilrecht, beispielsweise auch den FTP-Explorer-Fall. Ich sehe das nicht so. Ich sage: Links sind erstmal neutral und es kommt auf den Kontext an. Im Zweifelsfall für den Angeklagten, und ansonsten muss gezeigt werden, dass die Links aus verwerflichen Gründen gesetzt bzw. die URLs gepostet wurden. Wer Links als Verbreitung oder Zugänglichmachen ansieht, der mißversteht die Technik. Oder anders gesagt: Es muss immer eine Prüfung des Einzelfalls vorgenommen werden. Aber selbst wenn man einem Link per se eine Verbreitung und Zugänglichmachung unterstellt, kommt es auch wieder auf den Kontext drauf an: Zur Dokumentation über das Zeitgeschehen [...] sowie zur Kunst wäre auch das Verbreiten erlaubt. vgl. StGB §§ 86(3) und 130/131 Ich habe keine für mich nachvollziehbare und sinnvolle Begründung gelesen, warum die Links, um dies es in der Verhandlung ging, überflüssig sein sollen. Weder in der alten noch in der neuen Doku noch bei FreedomFone. Das schließt natürlich nicht aus, dass die alten Zensur-Seiten veraltet und nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Sonst wären sie ja immer noch von der Startseite aus verlinkt. ;-) Ciao Alvar
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