<<< Date Index >>>     <<< Thread Index >>>

Re: computerimplemetierte Erfindung vs. Software



On 17 Sep 2004, at 14:23, Florian Weimer wrote:

> > also Patente auf in 'Hardware gegossene Software' kann ich von
> > meinem heutigen Standpunkt aus sehr gut verstehen... (also fertige
> > Steuerchipps).
> >
> > Die Software, falls die Dinger mehr oder weniger frei programmierbar
> > sein sollten, sollte natuerlich nicht mehr patentierbar sein...
> > (noch etwas grob natuerlich)
> 
> Der eigentliche Punkt ist folgender: Wenn ich dieselbe Aufgabe mit
> einem mehr oder weniger handelsüblichen Allzweckrechner löse, kann ich
> dann das Patent verletzen?

Nur wenn das System aus Rechner plus Software die Aufgabe auf 
dieselbe Art loest, d.h. wie sie im Patentanspruch identifiziert wird.

Patente auf computerimplementierte Erfindungen sowie auf 
computerimplementierbare Erfindungen koennen durch Software verletzt 
werden. Und all dies, obwohl keine "Software" patentiert worden ist.

Man muss bei Patenten unterscheiden:

_Worauf_ kann man ein Patent bekommen? (Recht AUF ein Ptent)

_Welche Rechte_ kann man aus einem erteilten Patent ableiten? (Recht 
AUS einem Patent)

Wer diese Unterscheidung nicht kapiert oder nicht kapieren will, hat 
schon den ersten Schritt zum Verstaendnis des Patentrechtes nicht 
geschafft.

Irgendwie ist das schon seltsam: In den 90er Jahren hatten die 
Juristen (ich rede von "Juristen" im allgemeinen, nicht von 
Patentrechtsexperten) keine Ahnung vom Internet, und infolgedessen 
wurden grauenhafte Entscheidungen gefaellt (CompuServe-Fall, fruehe 
Domainnamen-Rechtsprechung usw.). Internet-Techies haben damals (und 
zu Recht!) eingefordert, dass die Juristen sich hinsetzen sollen, um 
die Grundlagen der Internet-Technologie zu bueffeln (was ist eine 
"Domain"? usw. usf.). 

Soziologisch gesehen dieselbe Kohorte von Internet-Techies, die in 
den 90er Jahren mit hohem aufklaererischen Anspruch den Juristen die 
Technik erklaeren wollten, ziehen sich heute immer mehr nach einer 
deutlich wahrnehmbaren Regression (Symptom: Allgemeines Lawyer-
Bashing, nicht nur gegen Patentanwaelte) auf eine Haltung des 
"ignoramus et ignorabimus" in allen Rechtsfragen, die das Internet 
beruehren, zurueck. Es besteht insbesondere kaum noch eine 
Bereitschaft, die Grundlagen des Patentrechtes mit dem gleichen 
Impetus zu lernen wie die Details eines Routing-Protokolls. 

Stattdessen versucht man es "spiegelbildlich" mit einer Art von 
komplementaerer Fundamentalopposition, die sich mit derjenigen 
vergleichen lassen kann, die in den 90er Jahren manche Politiker von 
Kanther bis zu bestimmten CSU-Leuten andersherum an den Tag gelegt 
hatten, naemlich dass das Internet boese sei und dass man es 
eigentlich nicht haben wolle. Diese Leute wollten das durch das 
Internet freigesetzte Emanzipationspotential nicht und waren daher 
voellig beratungsresistent, wenn man ihnen versuchte, die 
Implikationen der technischen Architektur des Internet auf die 
Rechtspflege zu erklaeren.     

Selbstverstaendlich erwarte ich nicht, dass die Anti-Patent-
Aktivisten automatisch zu Befuerwortern des Patentrechtes oder von 
besonderen Eigenheiten desselben werden, wenn sie dessen Grundlagen 
verstanden haetten. Aber dann waere wenigstens ein kritischer Diskurs 
moeglich geworden. So, wie die Schose jetzt laeuft, ist das, was von 
Seiten der Anti-Patent-Bewegung kommt, reiner Populismus, allerdings 
auf maximalen Effekt kalkuliert und professionell durchgezogen. Mit 
Aufklaerung hat das allerdings nichts mehr zu tun.

--AHH


-- 
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@xxxxxxxxxxxxxx
For additional commands, e-mail: debate-help@xxxxxxxxxxxxxx