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Re: computerimplemetierte Erfindung vs. Software



On 17 Sep 2004, at 11:09, Rigo Wenning wrote:

> Wir streiten hier doch immer so toll. Aus der q/depesche habe ich
> folgende Passage:
> 
> > Die Europäische Kommission spricht von der "Richtlinie über
> > die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen".
> > Die verwendeten Termini sind in diesem Fall mehr als
> > Wortklauberei, denn ein Patent auf Software ist etwas
> > grundlegend anderes als ein Patent auf computerimplementierte
> > Erfindungen, so die FAZ http://www.faz.net . Der Unterschied
> > besteht vor allem darin, dass eben nicht reine Quellcodes,
> > sondern nur Software geschützt werden kann, die etwa für
> > die Steuerung von Maschinen genutzt wird.
> 
> Das interessiert mich jetzt doch, denn Axel sagte ja, man könne es
> nicht unterscheiden. Hartmut sagt, man wolle die Patente für Aufzüge
> gar nicht abschaffen.. Was steht hinter diesem Unterschied in der
> Wortwahl?
> 
> Liegt der Teufel im Detail?



Rigo,

> Liegt der Teufel im Detail?

ja natuerlich, wie immer. Wie waer's mit einem Blick ins Gesetzbuch? 
Manchmal hilft das bei der Rechtsfindung.

Das DE-Patentgesetz sagt:

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§ 1 PatG

(1) Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer 
erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.  

(2) [...]

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Das Europaeische Patentuebereinkommen sagt:

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Art. 52

(1) Europäische Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, 
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar 
sind.  

(2) [...]

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Wir sehen daraus: Patent werden weder auf Kraftfahrzeugmotore, auf 
Arzneimittel, auf ein Verfahren zur Synthese von Hexachlorcyclohexan  
noch auf Software erteilt. Sondern Patente werden einzig und 
ausschliesich auf ERFINDUNGEN erteilt.  

Nun kann eine Erfindung beispielsweise sich manifestieren in Gestalt 
eines irgendwie verbesserten Kraftfahrzeugmotors, eines 
Arzneimittels, eines Verfahrens zur Synthese von Hexachlorcyclohexan. 
Das Patent beeinflusst nicht die sachenrechtlichen 
Eigentumsverhaltnisse an einem bestimmten Kraftfahrzeugmotor. Ein 
Patent auf einen Deich (= auf eine Erfindung, einen Deich betreffend) 
muss nicht ins Grundbuch eingetragen werden! 

Das Patent verschafft dem Patentinhaber aber ein eigentumsaehnliches 
Recht hinsichtlich der Monopolisierung des Koennens, dass 
beispielsweise aus einem gewoehnlichen, vor der Anmeldung bekannten 
Kraftfahrzeugmotor einen besonderen, erfindungsgemaess verbesserten 
Kraftfahrzeugmotor macht, einem immateriellen "etwas" (="Koennen") 
eben, nicht dem blanken Eisen des Motors. 

Daher gehoert das Patentrecht zu dem Bereich des Rechtes, den man 
"Immaterialgueterrechte" nennt. Obwohl der Motor aus Eisen ist, ist 
die Erfindung, also die genau das ist, was das Patent monopolisiert, 
stets etwas immaterielles. Man koennte sagen, es handle sich um eine 
"eisenimplementierte Erfindung", was aber unter Fachleuten praktisch 
niemand macht, weil die Patentfaehigkeit von Kraftfahrzeugmotoren 
unumstritten ist und die Bedeutung von Begriffen in Patentanspruechen 
dem Fachpublikum klar sein duerfte.   

Es gibt hier ein Problem mit dem ueblichen Patent-Jagron. Der 
entsprechende Patentanspruch faengt typischerweise an mit 
"Kraftfahrzeugmotor [...], gekennzeichnet durch ...", was zu der 
Redeweise verleitet: "... der Kraftfahrzeugmotor ist patentiert ...". 
Unter Patent-Fachleuten ist klar, dass eine derartige Aussage zu 
interpretieren ist etwa als: Ein dem Anspruch gemaesser 
Kraftfahrzeugmotor weist gewisse, im Patentanspruch angegebene 
Merkmale auf, anhand derer man die Erfindung identifizieren kann. Dem 
Patent-Laien gehen dadurch aber leicht die Begriffe durcheinander, 
und er verwechselt die (immeterielle) Erfindung mit dem (materiellen) 
Substrat, in dem sie sich verkoerpert.  

Und es gibt zweifellos auch Erfindungen, die sich in einem System 
bestehend aus Rechner + Software manifestieren. Beispielsweise eine 
elegante Art der Aufzugsteuerung, bei der beim Abbremsen der Kabine 
nichts ruckelt ("jerk-free elevator control"). Wenn man die 
Fahrstuhlsteuerung gemaess der Erfindung mit einem frei 
programmierbaren Rechner macht, dann haben wir den klassischen Fall 
einer "computer-implementierten Erfindung". Weder der Computer noch 
die Software sind identisch mit der Erfindung, aber wer einen 
Computer so programmiert, dass das, was die Erfindung ausmacht, 
begeht u.U. eine Patentverletzung. 

Also: obwohl Software genausowenig patentierbar ist wie Eisen, kann 
man mit einer Software, die (beim Ablauf auf einer CPU) eine 
Erfindung verkoerpert, genauso eine Patentverletzung begehen wie mit 
einem in Gestalt eines Kraftfahrzeugmotores gebrachten Klumpen Eisen.

Die EU-RiLi in der Fassung der EU-Kommission will das Patentieren von 
Erfindungen, die mittels Computer plus Software sich verkoerpern, 
beschraenken, indem gefordert wird, dass ich an der Erfindung ein 
"technischer Beitrag zum Stand der Technik" nachweisen laesst. Dies 
ist hier auf debate@xxxxxxxxxxxxxx und auf anderen Mailinglisten 
(z.B. FFII-Listen) alles seit ca. 1998 x-mal durchgenommen worden, 
aber es hat in keiner Richtung etwas genuetzt. 

Denn besteht ein politisches Interesse seitens derjenigen, die dafuer 
kaempfen, dass man durch Programmieren eines Computers niemals eine 
Patentverletzung begehen kann, eine politische Begriffsbesetzung 
durchzufuehren, eine Art "semantische Kriegsfuehrung" eben. Durch 
diese Begriffsbesetzung sollen die Begriffe des 
Immaterialgueterrechtes, insbesondere die des Patentrechtes, so 
umgeformt werden, dass die politische Abschaffung des Patentschutzes 
zumindest fuer alle Erfindungen, die zu ihrer Verwirklichung die 
Nutzung eines Computers plus darauf laufender Software beduerfen 
(oder sogar nur potentiell beduerfen koennten), der Oeffentlichkeit 
leichter vermittelbar wird. Wenn sich der Begriff "computer-
implementierte Erfindungen" durchsetzen wuerde, waere dieses Ziel 
gefaehrdet, und deshalb kaempft man um so verbissener dafuer, dass 
dieser Begriff in der oeffentlichen Diskussion gemieden wird.   

Ein in irgendeiner Weise bedeutsames Gespraech zwischen 
Patentrechtsexperten und Anti-Patent-Aktivisten findet schon lange 
nicht mehr statt. Die Anti-Patent-Aktivisten haben das auch nicht 
mehr noetig; es waere allenfalls schaedlich fuer sie. Durch ihre 
systematische Umdeutung der patentrechtlichen Begrifflichkeit koennen 
sie Journalisten und insbesondere auch Politiker mit einem scheinbar 
in sich schluessigen alternativen Begriffssystem glauben machen, die 
Verweigerung von Patenten auf computer-implementierte Erfindungen sei 
geradezu zwingend. 

Wenn man das Patentrecht so versteht, wie es die juristischen 
Fakultaeten lehren und wie es die zur Auslegung der Gesetze berufenen 
Gerichte anwenden, sind die begrifflichen Umdeutungsversuche des FFII 
voellig unverstaendlich. Es ist daher fuer den politischen Erfolg des 
FFII zwingend erforderlich, Patentrechtsexperten - insbesondere die 
Anwaelte - zu diskeditieren und dafuer zu kaempfen, dass diese in der 
politischen Diskussion aussen vor bleiben. Dementsprechend verhaelt 
sich der FFII denn ja auch:  


http://lists.ffii.org/pipermail/de-parl/2004-September/000818.html

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[...]

Please also keep in mind that for the normative question about the 
scope of patent law legal experts lack competence to answer it, in a 
democracy is must be set by the democratic lawmaker that tries to 
balance interests, economists may consult the lawmaker about the 
normative design, legal reaseacher about the legal effects of certain 
legal rulesets in a patent system. So any interference from patent 
professionals or patent institutions/Case law into the normative 
"scope" question must be combatted as they lack competence (= the 
formal right to decide it). Despite the lack of competence they also 
lack knowledge as a lawyer has no economic foundation but self-
interests, so patent laywers cannot be accepted as meaningful 
stakeholders in the debate. The situation on the ground however is 
somehow different :-)  

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Axel


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