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Re: [phm@xxxxxx: [ffii] Ratspraesidentschaft "beschliesst" Softwarepatent-Vereinbarung]



Axel H Horns schrieb:

> Patentinformationen sind heute billig verfuegbar, auch fuer KMUs.

Sind sie das? Ich habe noch keine Patentschrift gesehen, die ich als
Softwareentwickler unmittelbar auf meine Arbeitsinhalte hätte abbilden
können. Ich stehe im Gegenteil beim Lesen regelmäßig auf dem Schlauch
und habe keine Ahnung, was ich denn nun tun müsste, um das jeweilige
Patent zu verletzen bzw. seine Verletzung zu vermeiden. Zum Glück komme
ich nicht oft in diese Situation: mit den Begriffen, mit denen ich in
der Softwareentwicklung normalerweise umgehe, finde ich die von Juristen
möglicherweise für relevant gehaltenen Patente nämlich gar nicht.

Patentinformationen sind billig, wenn Arbeit nichts kostet. Das tut
sie aber. Als Entwickler treffe und revidiere ich laufend Entscheidungen
über die Architektur und Arbeitsweise meiner entstehenden Software. Jedes
Arbeitsergebnis ist aber nur ein Zwischenstand auf dem Weg zur nächsten
Version. Eine detaillierte unabhängige Dokumentation _aller_ dieser Ent-
scheidungen existiert regelmäßig nicht. Es sind zu viele, um sie alle
unabhängig vom Code noch einmal aufzuschreiben. Zudem ist die erwartete
Halbwertszeit gering. Vielleicht steht nach einer halben Stunde ein
Kollege in der Tür und fragt mich, was ich denn da für einen Mist zusam-
mengeschrieben hätte.

In dieser Situation Patentrecherchen zu betreiben, oder gar Entwurfsent-
scheidungen auf Patentverletzungen hin zu prüfen, ist unmöglich. Hinterher
geht es aber auch nicht, da -- siehe oben -- die Dokumentation zwangsläufig
unvollständig ist. Sie muss es sein, denn jede Dokumentation, die den
Programmcode nicht nur ergänzt, sondern in anderer Sprache repliziert, ist
fehlerhaft.

Softwarepatenten fehlen aber auch regelmäßig die Kriterien zur nachträg-
lichen Prüfung, ob eine vorliegende Software ein bestimmtes Patent verletzt.
Abstrakte Anspruchsmerkmale, eine High-Level-Beschreibung der Funktionsweise,
führen zu übermäßig breiten Ansprüchen. Wenn ich Software abstrakt beschreibe,
erkläre ich nur ihren Verwendungszweck und ansatzweise ihren Funktionsumfang. 
Ansatzweise deshalb, weil jede halbwegs sinnvolle Software eine Reihe von
Funktionen beinhaltet, die sich nicht aus dem unmittelbaren Einsatzzweck
ergeben. Beschreibe ich Software aber konkret, dann repliziere ich sie.
Software beschreibt sich selbst am besten. Vielleicht kann ich diese 
Beschreibung in eine Liste von Merkmalen übersetzen, aber das wären dann
Tausende, oder auch Millionen.

Noch einmal anders formuliert: Ich könnte Patentansprüche auf Software
einerseits anhand oberflächlicher Merkmale beschreiben. Dann erfassen
die Ansprüche unvermeidlich Systeme, die sich in ihrer Arbeitsweise
wesentlich unterscheiden und lediglich einen ähnlichen Funktionsumfang
bieten. Mit einem Patent auf ein Dokumentenmanagementsystem treffe ich
dann auch Wikis und Mailinglistenarchive.

Ich könnte die Ansprüche andererseits an inneren Merkmalen festmachen.
In diesem Fall ist die Prüfung auf Patentverletzung nicht mehr mit
vernünftigem Aufwand möglich. Außerdem erfassen die Ansprüche wieder
alles mögliche, diesmal beliebige Software, die ein bestimmtes Konstrukt
oder Konzept benutzt, ganz gleich wofür. Mit einem Patent auf Markup-
Sprachen treffe ich Web-Browser, Textverarbeitungen, interne Schnitt-
stellen zwischen Systemkomponenten und so weiter.

Gruß
        Sven


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