Re: [FYI] Pressefreiheit.
On Saturday 01 October 2005 20:07, Florian Weimer wrote:
> Für mich sieht das (nach zugegebenermaßen oberflächlicher Prüfung) so
> aus, als ob Cicero seinen Lesern einfach gutes Material bieten wollte,
> völlig in dem Bewußtsein, daß dies negative Folgen für die Arbeit des
> BKA und der deutschen Dienste haben kann. Gerade weil das BKA und
> andere Behörden so weitgehende Befugnisse zur Überwachung von Bürgern
> besitzen, muß absolut sichergestellt sein, daß aus diesen Behörden
> keine Daten lecken, weil wir sonst der Unschuldsvermutung ade sagen
> können und bereits ein Ermittlungsverfahren allein einer öffentlichen
> Hinrichtung gleichkommt (wenn die betroffene Person nur ein bißchen
> Medieninteresse weckt).
>
> Wer sagt uns, daß Cicero nicht einfach zur Auflagensteigerung
> genüßlich aus Dienstakten zitiert, ohne daß die Sachlage ein solches
> Vorgehen rechtfertigen würde? Mag sein, daß man als Journalist
> vertrauliche Informationen wie das BKA-Dossier braucht, um seine
> Arbeit zu machen, aber dann muß man sich auch die Zeit nehmen, um den
> Bezug zur eigenen Quelle zu verwischen. Alle beteiligten hätten das im
> vorligenden Fall wesentlich entspannter gesehen. Für den Leser wirkt
> das Ergebnis sicherlich weitaus weniger spannend, und als Journalist
> bekommt man dadurch vielleicht den ultimativen Kick, aber an den
> genannten Fakten (und ihrer Nachprüfbarkeit für den Leser!) ändert
> sich nichts.
>
> Ein bißchen kommt das mir so vor wie die Geschichte vom leeten
> Cracker, der per Social Engineering Zugang zu Firmengeheimnissen
> erhält, damit gegenüber seiner Peer Group prahlt, und dann eben
> verknackt wird. Warum soll esJournalisten anders ergehen, wenn sie
> letztlich das gleiche machen? Sind sie Bürger erster Klasse mit mehr
> Rechten als wir?
Also, natuerlich hat das BKA (wie auch andere Behoerden) ein gewisses
(legitimes) Interesse daran, bestimmte Dinge geheim zu halten. Die Presse hat
aber auch ein legitimes Interesse daran, Dinge ans Tageslicht zu zerren. Eine
"Schere im Kopf" der Journalisten ist dabei nicht aus der Sicht des GG nicht
vorgesehen. Die Journalisten muessen (in der Theorie) keine Abwaegung leisten
(in der Praxis leider doch; siehe dieser Fall).
Das eigentliche Problem ist aber m.E. folgendes:
Wenn eine Behoerde etwas legitimerweise geheimhalten und diese Geheimhaltung
auch durchsetzen moechte, muss sie zunaechst diese Geheimhaltung tatsaechlich
durch eigene organisatorische Sorgfalt ermoeglichen und auch die Qualitaet
dieser Geheimschutz-Vorkehrungen staendig ueberpruefen.
Ein wichtiges Prinzip ist dabei das "Need to know"-Prinzip. Je wichtiger das
Geheimnis, desto weniger Leute duerfen eingeweiht werden.
Irgendwo stand, dass bei dem hier zur Debatte stehenden Geheimdossier knapp
Dreihundert Beamte rechtmaessig Zugang hatten. Dreihundert Leute! Musste das
denn wirklich sein?
Warum wundert man sich, dass bei einem derartig grossen Mitwisserkreis etwas
heraussickert?
Niemand kann sich darueber beschweren, wenn Behoerden im Innenbereich
strikteste organisatorische und technische Massnahmen treffen, um ihre
legitimen Geheimnisse wirksam zu schuetzen.
Was hier und in anderen aehnlich gelagerten Faellen ablaeuft, ist, dass man
einerseits erst mal organisatorisch-technisch mit Geheimnissen herumschludert
(andere Faelle hatten verschwundene Notebooks, abhandengekommene HDDs usw. im
Repertiore der Fakten), um dann andererseits die unangenehmen Folgen der
eigenen Schludrigkeit durch Einschuechterung von Journalisten etc. pp. zu
begrenzen oder sogar zu kompensieren.
In gewisser Weise kann man sagen, dass Schilly versucht, eine Rechtslage
herbeizureden, die die Schludrigkeit von Behoerden belohnt, frei nach dem
Motto: "Macht ja nichts, wenn Euch mal das eine oder andere 'MOST
SECRET'-Dossier herausflutscht, wir sorgen schon dafuer, dass niemand sich
traut, darueber zu berichten".
Auf diese Weise spannt man mitwissend gewordene Jounalisten auf hoechst
illegitime Weise zur Wahrung von Amtsgeheimnissen ein.
--AHH
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