Re: [FYI] Supreme Court Entscheidung zu Grokster & P2P
Thomas Stadler wrote:
Am 29 Jun 2005, um 15:28 hat Rigo Wenning geschrieben:
Das ist mir schon klar. Dennoch frage ich mich, wie man im dt. Recht die
Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer sanktionierenden Norm
rechtfertigen würde. Man kann an objektive Zurechnung denken oder an
adäquat kausale Verursachung. Also dürfte ein Autohersteller niemals
damit werben, dass man mit seinem Auto Geschwindigkeiten überschreiten
kann? Es gibt doch den Willensentschluss dazwischen, der dem verfügbaren
Störer zugerechnet wird. Mir ist noch nicht klar, wo sie wieder zumachen
können, wenn das Feld zu weit wird?
Mir ist Dein Einwand nicht ganz klar. Als primaeren Verletzter bzw.
Haupttaeter habe ich den User, der mit Hilfe der Filesharing-Software
MP3's tauscht, bzw. die Dateien auf seiner Festplatte fuer alle anderen
User zum Download freigibt. Das ist nach deutschem Recht eine
Urheberrechtsverletzung.
Wenn man den primären Verletzer tatsächlich hat... Das ist aber i. Ggs.
zum Autoraser, den man geblitzt hat,
und dessen Kennzeichen eindeutig und registriert ist, im Internet
ungleich schwerer, da hier zahlreiche (nichtstaatliche)
Dritte wie ISPs beteiligt sind. In Analogie würde ich etwa sagen:
"Porsche habe etwa in der Werbung gesagt, dass man
mit dem 911 auf Autobahnen überall 250 fahren kann." Also braucht die
Polizei der Einfachheit halber nur noch zu
schnelle Porsches blitzen und kann sich dann den ganzen Aufwand mit der
Kennzeichenermittlung sparen und der
Einfachheit halber direkt Porsche verklagen, bis die von selbst aufgeben
und nur noch Rollstühle mit einer Geschwindigkeit
von 6km/h bauen.
Anschliessend stellt sich dann die weitere Frage, wie man eine
diesbezuegliche Haftung des Tauschboersenbetreibers/Anbieters der
Filesharing-Software begruendet. Wenn der Anbieter die Nutzer foermlich
dazu auffordert, seine Software dazu zu benutzen, um
urheberrechtswidrig Musik oder Filme zu tauschen, liegt sowohl eine
Teilnahmehandlung, als auch Vorsatz bzgl. der Haupttat vor.
Das laesst IMHO genuegend Spielraum, andere Einzelfaelle, in denen der
Sachverhalt anders liegt, auch anders zu beurteilen.
Es ernährt lediglich Anwälte, die wieder eine neue Geldquelle wittern.
Man klagt prophylaktisch mit
Berufung auf dieses Urteil, egal wie sehr der Einzelfall mit den Haaren
herbeigezogen sein möge.
Hat denn jemand ernsthaft damit gerechnet, dass die Tauschboersen mit
ihrer haarigen Argumentation durchkommen?
Bei Entwicklung besserer Mausefallen entwickelt die Natur bessere Mäuse.
Die Haftbarkeit von
P2P-Indexserverbetreibern wird zunächst dazu führen, dass die Betreiber
sich bedeckt halten,
was die Nutzungsart der Software angeht. Im Gegenteil, sie werden
vielleicht bewerben, wie toll man
damit sich sein freies Linux runtersaugen kann (das "und andere
Betriebssysteme wie Windows" verkneift
man sich, aber selbst der letzte Alp-Öhi mit 9600er-Modem weiss, wie es
gemeint ist).
Dann wird, nach der o.g. Phase, wo erstmal alles pauschal mit Bezug auf
das Urteil verklagt wird, was ein
wie ein Rechnerbesitzer aussieht, festgestellt werden, dass die Karawane
längst weitergezogen ist, und z.B.
neuerdings verschlüsselt, fragmentatisch, mit anderen Protokollen, ohne
Indexserver etc. saugt. Dann wird
man vielleicht auf die Idee kommen, dass nur "registrierte Server" Files
transferieren dürfen, das alte FTP
wird verboten und routerseitig blockiert (etwa durch Analyse des
Kommandostreams). Da wird sich natürlich
keine Sau wirklich dran stören, FTP via SSL ist schon lange bekannt, und
im Zweifelsfall tunnelt man den
wirklichen Datentransfer durch irgendein anderes Protokoll.
Das ist noch lange kein Grund das Ende von FTP kommen zu sehen.
Wen sollte man eigentlich verklagen, wenn man FTP untersagen wollte. ,-
)
Die ISPs und Backbonebetreiber, die in ihre Router keine Software
installieren, die solcherart "unregistrierten"
Transfer unterbinden. Wiederum allemale einfacher, als den Client-PC zu
erwischen, vondem aus die UrhR-
Verletzung ausgeht. Und dann wechseln die Tauscher das Protokoll, und
Cisco verkauft einen neuen Update.
Ein lohnendes Geschäft für alle.
Es ist natürlich schon jedem klar, von den lernresistenten Juristen
abgesehen, die ja wohl vorwiegend den Job
angenommen haben, um sich vor der Technikrealität zu drücken, dass
jegliches Bit auf einer Datenleitung ein
Datentransfer ist, egal wie man es verpackt - letztlich müsste man das
Internet ganz verbieten, um ganz sicher
zu sein; dann benutzen die Musik- und SW-Tauscher eben wieder wie in
meiner schon recht lange
zurückliegenden Jugend den Schulhof, und gemäß der Theorie, dass jeder
Mensch auf der Welt
mit jedem anderen über höchstens 7 Stufen bekannt sei, bilden sich dann
neue Netze, die noch
deutlich schwerer in Griff zu bekommen sind.
Aber undurchdachte Lösungen von juristischen Problemen, die dann
periodisch weiter eskaliert werden müssen,
weil sie von Anfang an konzeptionell untauglich waren, haben ja lange
Tradition im Recht.
Grüße
Holger
--
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@xxxxxxxxxxxxxx
For additional commands, e-mail: debate-help@xxxxxxxxxxxxxx