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BMJ befuerwortet weiterhin Ratsposition, Bundestag laeuft ins Leere



PRESSEERKLÄRUNG FFII -- [ Deutschland / Wirtschaft / EDV ] -- korrigiert
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BMJ befürwortet weiterhin Ratsposition, Bundestag läuft ins Leere
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17. März 2005 -- Das BMJ hat auf ein Schreiben eines besorgten
Softwareentwicklers zur Softwarepatentrichtlinie geantwortet.  Anders
als der Bundestag sieht das BMJ nach wie vor keine Probleme in der
Ratsposition.  Es behauptet weiterhin, dass es in dieser nicht um
Software gehe, und spielt dabei in irreführender und Weise mit Worten.
Den Forderungen des Bundestages räumt das BMJ immerhin -- hierin
freundlicher als neulich das BMWA -- einen abstraken Spielraum ein.
Aber es ist zu befürchten, dass in der vom BMJ bevorzugten (und hier
nicht näher ausgeführten) Konretisierung dieser Spielraum auf Null
zusammenschrumpft.

Im folgenden geben wir den BMJ-Text mit eingestreuten Kommentaren und
Fragen wieder.

 http://wiki.ffii.org/LtrBmjRink0503De
 [...]

 vielen Dank für Ihr Schreiben vom 9. Februar 2005 zur Richtlinie über
 die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen.

 Die derzeit diskutierte Richtlinie dient dem Zweck, die in den
 Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehenden und sehr allgemeinen
 Vorschriften zur Patentierung von Erfindungen für den Teilbereich der
 computerimplementierten Erfindungen konkreter auszugestalten.
 Computerimplementierte Erfindungen sind ­ vereinfacht gesagt ­ solche
 Erfindungen, bei denen ein Computer oder ein Computerprogramm im
 Zusammenhang mit einer Hardware verwendet wird, wie z.B. beim
 Antiblockiersystem ABS.

Diese Aussage ist falsch.  "Computer-Implementierte Erfindungen" sind
laut den üblichen und vom BMJ befürworteten Defitinionen gerade nicht
Bremssysteme und dergleichen sondern reine Softwarelösungen, die auf
Büro-PCs ablaufen.  Eine Umdefinition des Begriffes im ABS-Sinne, wie
sie das Europäische Parlament im September 2003 vorschlug, hat das BMJ
im EU-Rat abgelehnt.[1]

 Mit der angestrebten Konkretisierung, die im Wesentlichen auf die von
 der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgreift, soll
 gleichzeitig eine europaweite Harmonisierung erreicht werden. Darüber
 hinaus geht es aber auch um die eindeutige Festschreibung der Grenzen
 des Patentschutzes, wofür sich Deutschland von Beginn der Verhandlungen
 über die Richtlinie an mit Erfolg eingesetzt hat. Die Bundesregierung
 lehnt es ab, computerimplementierten Erfindungen generell den
 Patentschutz zu versagen. Gleichzeitig wendet sie sich aber gegen eine
 Ausweitung des Patentschutzes für computerimplementierte Erfindungen.
 Patente für Software dürfen weiterhin nicht erlaubt werden.

 Inhaltlich sehen weder die Fassung des Europäischen Parlaments noch die
 des Rates eine Ausweitung der Patentierungsmöglichkeiten vor.
 Computerprogramme als solche können nach dem aktuellen
 Richtlinienvorschlag nicht durch Patente geschützt werden, ebenso wenig
 schützbar sind kaufmännische Geschäftsmethoden. Voraussetzung für den
 Patentschutz in Europa ist und bleibt, dass nur technische Erfindungen
 geschützt werden können. Dies ist ein ganz wesentlicher Unterschied zum
 US-amerikanischen Patentrecht, nach dem alles "Nützliche", also auch
 kaufmännische Geschäftsmethoden und reine Software, dem Patentschutz
 zugänglich sind.

Diese Aussage ist ebenfalls bekanntermaßen falsch.  Das Verbot der
Patentierung von Urheberrechtskonstrukten ("Programme in Quell- oder
Binärform") durch den Ratsbeschluss ist nicht mehr als ein
irreführendes Wortspiel[2].  Gerade das BMJ hat im Rat durchgesetzt,
dass Programme im Patentkontext beansprucht werden können, und die vom
Ratstext gestützte Praxis des Europäischen Patentamtes unterscheidet
sich aus Sicht des (hier vom BMJ addressierten) Softwarebranche nicht
nennenswert von der des US-Patentamtes[3].

 Das Rechtsetzungsverfahren für die Richtlinie begann Anfang 2002 mit der
 Vorlage eines Vorschlags der Kommission, in den einige zuvor eingeholte
 Gutachten eingeflossen waren. Das Europäische Parlament hat den
 Kommissionsentwurf dann beraten, dessen erste Lesung im September 2003
 beendet und das Ergebnis an den Rat weitergeleitet. Nach zahlreichen
 Expertensitzungen mit intensiven Beratungen wurde im Rat am 18. Mai 2004
 mit qualifizierter Mehrheit eine politische Einigung über den
 "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates erzielt, der am 07. März 2005
 formell beschlossen wurde.

Es handelt sich laut Verfahrensregeln des Rates um eine eigenständige
Entscheidung.  Die Herabstufung zum "formellen Beschluss" ist eine von
Ministerialbeamten und Ratsdiplomaten gepflegte "ungeschriebene
Regel".  Sie entzieht die Manöver der letzten Minute, mit denen etwa
das BMJ die genannten irreführenden Wortspiele am 18. Mai 2004 in den
Ratstext einbrachte, jeder parlamentarischen Kontrolle.

Ob am 7. März in korrekter Weise ein "Gemeinsamer Standpunkt" zustande
kam, erscheint höchst zweifelhaft.  Unsere 23 Fragen an den Rat harren
der Beantwortung.  Sie liegen inzwischen in deutscher Übersetzung
vor[4].  Auch an der Sicht des BMJ sind wir interessiert.  Was ist im
Rat passiert?

Ferner würde uns interessieren, ob und wie laut Meinung der
Bundesregierung der Bundestag künftig die Möglichkeit einer Kontrolle
von "politischen Vereinbarungen" des Rates erlangen soll, und
inwieweit die EU-Verfassung in diesem Fall etwas an der
Einflusslosigkeit des Bundestages geändert hätte.[5]

 Jetzt wird sich das Europäische Parlament erneut mit dem
 Richtlinienvorhaben befassen und auch die inzwischen formulierte
 Position des Deutschen Bundestages aufgreifen können. Die
 Bundesregierung würde insbesondere die Aufnahme einer tragfähigen
 Technikdefinition und einer mit dem TRIPS-Abkommen konformen
 Interoperabilitätsklausel begrüßen.

Hiermit scheint das BMJ anzudeuten, dass die vom EP vorgeschlagene
Version von Art 6a nicht TRIPs-konform sei.  Es wäre nun interessant,
zu erfahren, welche Variante dieser Formel laut Meinung des BMJ ggf
TRIPs-konform sein könnte.

 Insgesamt gesehen wird die Richtlinie in der Ratsfassung die heute
 gültige Rechtslage allerdings nicht wesentlich ändern 

Das BMJ geht hier von einer Verabschiedung der Ratsfassung aus und
befürwortet diese.  Es versucht nach wie vor, diese gesetzgeberische
Maßnahme mit dem unwahrhaftigen[6] und belanglosen Argument des
"Status Quo" (Besitzstandswahrung) zu rechtfertigen.

  und daher kaum Auswirkungen auf den Einsatz von
  Open-Source-Projekten haben, die im Übrigen auch von der
  Bundesregierung gefördert werden.

Projekte der freien und proprietären Software werden bereits heute von
der europäischen Patentjustiz geschädigt.  Wir haben das BMJ
desöfteren darauf aufmerksam zu machen versucht[7].

Niemand will dem BMJ unterstellen, dass es an einer Schädigung von
Softwareentwicklern interessiert sei.  Es nimmt sie lediglich Kauf.
Andere Interessen scheinen Vorrang zu genießen. Welche Interessen das
sind und warum sie Vorrang genießen, erklärt das BMJ leider auch
diesmal nicht.

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Zusatzinformationen
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[1] Zum Begriff "computer-implementierte Erfindungen" s.

    Was ist eine computer-implementierte Erfindung?
    http://swpat.ffii.org/papiere/eubsa-swpat0202/kinv/index.de.html 

    Man vergleiche dazu Art. 2a der Richtlinie des Parlaments vs
    Rates

    http://swpat.ffii.org/papiere/europarl0309/cons0401/tab/

    Eine Umdefinition des Parlamentes, die dafür gesorgt hätte,
    dass der Begriff mit der vom BMJ behaupteten Bedeutung
    übereinstimmt, hat der EU-Rat und mit ihm das BMJ abgelehnt.

[2] Irreführende Wortspiele im Ratstext: wie dieser Text Software
    unbegrenzt patentierbar macht und zugleich bisherige
    Patentierbarkeitsausschlüsse in ihrem Wortlaut bekräftigt und
    in ihrer Substanz aushebelt:

     http://swpat.ffii.org/briefe/cons0406/text/index.de.html
     http://swpat.ffii.org/jmaebe/cons.html

[3] Zur Praxis des Europäischen Patentamtes s.

    http://webshop.ffii.org/
    http://swpat.ffii.org/patents/
    http://swpat.ffii.org/patents/txt/ep/last/

[4] 23 Fragen an den Rat, deutsche Fassung

    http://wiki.ffii.org/LtrFfiiCons050308De

[5] s. Bundestagsanhörung zur EU-Verfassung
    http://wiki.ffii.org/Bundestag050316De

    Das Softwarepatent-Fallbeispiel erscheint kaum geeignet, den
    allerseits vorgetragenen Optimismus bezüglich der angeblich
    parlamentsstärkenden Wirkung der EU-Verfassung zu untermauern.

[6] Art 52 EPÜ: Auslegung und Revision
    http://swpat.ffii.org/analyse/epue52/

    Die Dokumentation zeigt, dass die derzeitige Rechtsprechung
    des EPA den Auslegngsspielraum des Gesetzes verlassen hat
    und dass ohne diesen Hintergrund das EU-Richtlinienprojekt
    nicht zu verstehen ist.

    S. auch die neue Studie von Maria Allessandra Rossi hierzu:
    http://wiki.ffii.org/Rossi050310En

[7] Einige Beispiele für Schädigungen freier/quelloffener
    Software finden sich unter

         http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/index.de.html
         http://wiki.ffii.org/SwpikxraniDe
         http://wiki.ffii.org/SwpikxraniEn

    Das 

         Video-LAN-Projekt
         http://swpat.ffii.org/patents/effects/videolan/ 

    sieht sich derzeit wegen Drohungen mit einem EPA-Patent
    kurz vor der Auflösung.

    Der freiberufliche Entwickler Bernd Herd berichtete vor 1 Jahr auf
    einem Parlamentarischem Abend des FFII anwesenden BMJ-Vertretern
    darüber, wie gleich 3 seiner Projekte (die in freie Software
    münden sollten) durch Patente zum Abbruch gezwungen wurden.

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die Entwicklung öffentlicher Informationsgüter auf Grundlage des
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Mitglieder, 1200 Firmen und 80000 Unterstützer haben den FFII mit
der Vertretung ihrer Interessen im Bereich der Gesetzgebung zu
Software-Eigentumsrechten beauftragt.

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390.000 Stimmen 3000 Firmen gegen Logikpatente   http://noepatents.org/


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