[ffii] Softwarepatente: Bundesregierung ignoriert auch kuenftig den Bundestag
PRESSEERKLÄRUNG FFII -- [ Europa / Wirtschaft / EDV ]
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Softwarepatente: Bundesregierung ignoriert auch künftig den Bundestag
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Hartmut Pilch, 15. März 2005 -- In einem Einheits-Antwortschreiben[1],
welches derzeit verschiedene Mitarbeiter des Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit (BMWA) an besorgte Software-Entwickler und
-Unternehmer verteilen, wird erklärt, Ziel der Politik der
Bundesregierung sei es, die Spruchpraxis des Europäischen Patentamtes
festzuschreiben. Da hiermit nur der Status Quo festgeschrieben werden,
drohe den Anfragern keine Gefahr, vielmehr beruhten ihre Sorgen auf
Missverständnissen.
Die vom europäischen Parlament vorgeschlagene Lösung wird von der
Bundesregierung weiterhin ohne Begründung abgelehnt. Das BMWA hält es
nicht nötig, eine Gesetzgebung durch wirtschaftspolitische Ziele zu
rechtfertigen. Es versteht sich vielmehr als ein Organ zur
Festschreibung "höchstrichterlicher" Beschlüsse.
Ohne Belege und unter Ignorierung aller vom BMWA initiierten Studien
behauptet das BMWA, ein Verzicht auf die Erteilung breiter Monopole
für Verfahren der "zeit- oder speicherplatzsparenden Anordnung von
Daten" wäre "innovationsschädlich". Damit versperrt das BMWA auch
jeden Weg zu dem "strengeren Technikbegriff", den der Bundestag
gefordert hat.
Das Schreiben verspricht zwar, die Forderungen des Bundestages im
späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigen zu
wollen, doch das Versprechen bleibt abstrakt und unverbindlich. Von
der zunächst entscheidenden Frage der Programmansprüche ist überhaupt
nicht die Rede. Hier war eine zunächst klare Forderung des Bundestages
durch Einwirken der Ministerien (und einiger Koalitionsabgeordneter)
verwässert worden. Aus dem vorliegenden Schreiben lässt sich
schließen, dass die Bundesregierung dies als einen Freibrief aufnimmt,
ihre bisherige Pro-Softwarepatent-Maximalposition auch in einem
Vermittlungsverfahren weiter zu vertreten. Spielraum bleibt demnach
nur noch auf dem Nebenkriegsschauplatz des
"Interoperabilitätsprivilegs" (Art 6a).
Derweil haben wir an den EU-Rat einige Fragen[2] zur Sitzung vom
7. März gerichtet. Wir wollen wissen, was, im Sinne der
Verfahrensregeln des Rates, auf dieser Sitzung passierte. Wenn auf
dieser Sitzung ein Gemeinsamer Standpunkt zustande kam, dann wohl nur
dadurch, dass einige Delegationen für ihre Parlamente daheim Theater
spielten und gegen sich selbst stimmten. Aber es erscheint fraglich,
ob überhaupt eine Annahme stattfand.
Im Vorfeld dieser Sitzung hat die Bundesregierung laut Aussagen des
dänischen Ministers Bendtsen sich einer von diesem (angeblich) im
Auftrag seines Parlaments geforderten Neuereröffnung der Verhandlungen
entgegengestellt. Sicher ist, dass sie trotz bester Gelegenheiten,
trotz anderslautender Beteuerungen[3] und trotz eines Mandates des
Bundestages nicht auf Neuverhandlungen im Rat hingewirkt hat. Darüber
hinaus hat die Bundesregierung die Bedenken des Bundestages nicht
einmal als "unilaterale Erklärung"[4] zu den Beschlussakten gegeben.
Hieraus ergibt sich die Frage, ob sich die Abgeordneten des Deutschen
Bundestag mit ihrer Einflusslosigkeit abfinden wollen.
Eine Mindestforderung an den EU-Rat müsste darin bestehen, dass eine
von der Bundesregierung in einer Ratssitzung gegebene Zustimmung
innerhalb einer bestimmten Frist vom Bundestag durch
Mehrheitsbeschluss widerrufen werden kann. Ähnliche Forderungen
wurden vom Ausschuss der nationalen Parlamente der EU (COSAC) bereits
2001 erhoben[5].
Dies ließe sich möglicherweise auf der Ebene der Verfahrensregeln
des Rates durchsetzen. Die Zeit drängt. Eine EU-Verfassung, deren
Forderung nach parlamentarischer Kontrolle des EU-Rates wie schon
bisher nur in abstrakter Form (Art I-46) erhoben wird, verdient
weder die Zustimmung des Bundestages noch die der Völker, die in den
nächsten Monaten nach ihrer Meinung gefragt werden.
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Zusatzinformationen
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[1] BMWA-Antwortschreiben http://wiki.ffii.org/Bmwa0503De
[2] Fragen an den EU-Rat
http://LtrFfiiCons050308En
http://LtrFfiiCons050308Fr
[3] Etwa Zypries im Dezember (http://wiki.ffii.org/Zypries041221De):
"Wir werden weiter konstruktiv mitarbeiten um eine Lösung zu suchen,
die allen Beteiligten noch besser gerecht wird als der Beschluss vom
Mai dieses Jahres. Dabei werden wir auch die inzwischen formulierte
Position des Deutschen Bundestages in die Debatte auf Ratsebene
einbringen."
[4] Unilaterale Erklärungen (http://wiki.ffii.org/ConsUni0412En) sind
Dokumente, die den abweichenden Standpunkt einzelner Regierungen
erklären. Sie werden zusammen mit dem Ratsstandpunkt dem Parlament
übermittelt. Besonders lesenswert ist die polnische Erklärung
http://register.consilium.eu.int/pdf/fr/04/st16/st16120-ad02.de04.pdf
Von deutscher Seite liegt keine solche Erklärung vor, obwohl es genügt
hätte, den Text des Deutschen Bundestages zu kopieren.
[5] Antrag im Britischen Parlament
http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/cm200102/cmselect/cmeuleg/152-xxxiii/15206.htm#a8
44. As regards an amendment to the Protocol setting minimum times
between stages of legislation, we asked the UK Permanent
Representative about the feasibility of COSAC's proposal for a
15 day interval between agreement in COREPER and in the
Council. He pointed out that at present the gap is often much
less, in fact sometimes only a day. ...
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