Re: softwarepatente / mitentscheidungsverfahren
> Was ist eigentlich schlimm daran, wenn der Ministerrat
> seinen Standpunkt verabschiedet?
Dass dieser Standpunkt nicht der Standpunkt der vertretenen Laender ist
und bei einer erneuten Stimmauszaehlung keine Mehrheit haette.
Dass die erste Lesung des Rates nicht ernst genommen wird weil es ja
noch ein Schlichtungsverfahren gibt.
Dass wir uns derzeit eine EU-Verfassung geben, die den Rat noch weiter
verstaerkt, aber ihn unter die Kontrolle der nationalen Parlamente stellen
will, ohne dafuer Kontrollmittel zur Verfuegung zu stellen, und dass das
demokratische Bewusstsein, was zum Ausgleich dieser mangelnden Kontrollmittel
dringend noetig waere, in den EU-Institutionen in eklatanter Weise fehlt
oder bekaempft wird.
Dass die Gelegenheit, den Rat unter die Kontrolle der nationalen
Parlamente zu bringen (wie von der EU-Verfassung gefordert, ohne dass
dafuer Durchsetzungsmittel bereit gestellt wuerden), durch ein
Schattenregelwerk unterlaufen werden. Die auch von AHH verteidigte
Rats-Auffassung, dass politische Vereinbarungen zu gelten haetten
und nicht im spaeteren Verlauf des Verfahrens in Frage gestellt werden,
kann ich nur als eine andi-demokratische, durch keine praktischen
Ueberlegungen zu rechtfertigende rats-interne Ideologie verstehen,
vergleichbar den Ideologien, die auch in anderen Buerokratien sich
einzunisten pflegen. Diese Ideologie scheint staerker zu sein als
die notwendigen demokratischen Selbstreinigungskraefte der EU, und
das wird uns gerade vorexerziert wie wohl nie zuvor.
> Das EU-Parlament kann
> doch den Text auch in zweiter Lesung ablehnen oder
> ändern? Oder bestehen Zweifel, daß sich die dafür
> notwendige absolute Mehrheit nicht findet?
Eine absolute Mehrheit war in der ersten Lesung erforderlich.
In der zweiten Lesung ist mehr vonnoeten: eine Mehrheit aller
Mitglieder, d.h. wer sich enthaelt oder abwesend ist, dessen
Stimme zaehlt fuer den Rat. D.h. de facto ist eine 2/3-Mehrheit
noetig um den Rat zu ueberstimmen.
Das nutzen natuerlich unsere Ministerialbeamten, um sich um eine
echte erste Lesung im Rat zu druecken. Sie koennen einfach
den Standpunkt der Parlamentsmehrheit ignorieren und ihre
vorigen Papiere aus der Schublade holen, denn die erste
Lesung ist somit regelmaessig fuer die Katz. Dank dem
Schattenregelwerk des Ministerrats kann sowohl das EP als auch
die nationalen Parlamente ignoriert werde, und die Abgeordneten haben
allenfalls im Rahmen des Schlichtungsverfahrens die Chance,
in Hintzerzimmer-Dialogen mit erfahrenen und niemandem gegenueber
verantwortlichen Ministerialbeamten damit zu drohen, die Jahre
ihrer Arbeit in den Papierkorb zu werfen und damit, ihre "Chance
zu verspielen" (Bolkestein), als demokratisches Feigenblatt der
EU zu fungieren.
--
Hartmut Pilch, FFII e.V. Büro München +498918979927 Brüssel +3227396262
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