Re: [FYI] SZ: Ein Staat mit tausend Augen
Am 02.01.2004 23:40 schrieb Hartmut Pilch:
Deshalb ist es auch so schwer, die Bedeutung von Studien wie der vom
Economist berichteten richtig einzuschaetzen.
Was Du (mir?) jetzt damit sagen willst, ist mir leider unklar.
In dem hier von Thomas Riedel eingebrachten Economist-Artikel wurde
berichtet, durch Ueberwachung gewisser oeffentlicher Raeume seien gewisse
Verbrechensarten drastisch zurueckgegangen oder gar ausgestorben.
Soweit ich sah ist Terry Smith der Autor eines Buches zu genau dem
Thema. Und solange ich halt nicht genau die Studie gesehen habe, aus der
das hervorgeht, mache ich nicht die Überwachung der öffentlichen Räume
dafür verantwortlich.
Studien kann man idR auch so auslegen, wie man es gerade braucht.
Um ehrlich zu sein, geht das mit der Überwachung für mich gar nicht so
recht aus dem kurzen Artikel hervor...
Es kamen dann (nicht von dir) Argumente, die diese Erfahrungen unbedeutend
erscheinen lassen sollten. Die Verbrechen wurden nur verdraengt o.ae.
Diese Erfahrungen sind auch nicht so unbegründet, wie sie vielleicht in
den Raum geworfen wurden und imo im Prinzip auch recht einfach
nachzuvollziehen. Vor allem aus England kommen diesbzgl. Studien, die im
Grunde genau zu dem Ergebnis kommen.
Aehnliche Argumentationsmuster gab es auch bei diversen Debatten ueber die
Behandlung von Spam auf diesem Forum und anderswo. Die Debatten enden
regelmaessig mit dem Hochruesten des betreffenden Forums durch diverse
Massnahmen (z.B. Problemverdraenger SpamAssassin), die zuvor als unkorrekt
galten.
Ich sehe hier nicht die Notwendigkeit Maßnahmen der Strafverfolgung,
besser gesagt der Kriminalprävention, mit denen gegen Spam zu
vergleichen. Wenn man davon ausgeht, dass die maßgebliche Folge der
Überwachung öffentlicher Plätze die Verdrängung der Straftaten in
nichtüberwachte Orte ist, dann könnte man bei dem Vergleich ja nichtmal
davon sprechen, da der Spam ja deshalb nicht in andere Listen, die
womöglich keine Spamfilter installiert haben, verdrängt wird. (Die
Verdrängung, so sie denn Studien standhält, sehe ich aber nicht als
Hauptgrund meiner Haltung gegen die Überwachung an, sondern eher als ein
Argument der Unwirksamkeit selbiger. Sonst könnte man ja einfach
fordern, alle öffentlichen Plätze zu überwachen.)
Aehnliches Hochruesten gibt es wohl auch im oeffentlichen Raum. Hier
weltweiten Personenverkehr und freie Kryptographie fuer alle, dort
staerkere Ueberwachung oeffentlicher Raeume.
Beides wird meist von verschiedenen Lagern gefordert. So unterstützt
z.B. das BMWA AN.ON und das BMI bzw. die Strafverfolger versuchen es im
Gegenzug zu schwächen.
Genaue spieltheoretische Rechnungen ueber die richtige Balance habe ich
nicht gesehen (und auch nicht ernsthaft genug gesucht), aber
wahrscheinlich wuerden sie bei den Entscheidungen eine aehnlich geringe
Rolle spielen wie sie letztlich bei den Debatten um Spamschutz hier
spielten.
Die Balance ist aber wohl mit das wichtigste. Weder wollen
Datenschützer, dass keine Strafverfolgung möglich ist, noch glaube ich
das Strafverfolger wollen, dass man den Datenschutz grundsätzlich
aufgibt. Beides kann man aus dem Grundgesetz ableiten und beides hat
wichtigen Stellenwert. Es kommt daher auf den Einzelfall drauf an wo man
sagt, dass hier Strafverfolgungsinteressen schwerer wiegen, als die
Interessen einiger Menschen auf Datenschutz und was sich daraus ableitet
und ggfs. mitbetroffen ist.
Das darf weder darauf hinauslaufen, dass jegliche TK präventiv abgehört
werden darf oder grundsätzlich öffentliche Plätze überwacht werden, noch
dass TK in keinem Fall abgehört werden darf oder das man grundsätzlich
während einer Straftatverfolgung in den Datenschutz nicht eingreifen darf.
In allen Fällen muss etwas bestimmten Grundsätzen, sei es Zweckbindung,
Erforderlichkeit oder vor allem Verhältnismäßigkeit, genügen.
Hat stop1984 mal die Problematik unter diesem Gesichtspunkt beleuchtet?
Ich spreche hier weder für STOP1984, noch für sonstige Datenschützer.
Ich selbst habe, wenn Du diese Frage auf die Balance beziehst, es auch
schon in der Vergangenheit getan.
Ich versuche die Positionen aller Beteiligten zu beachten, insbesondere
gehe ich aber von meiner Vorstellung aus, wo Datenschutz/informationelle
Selbstbestimmung eben *auch* Priorität hat.
--
Freundliche Grüße, ### http://www.stop1984.com
Matthias Hannich ### nulli@xxxxxxxxxxxx
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