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Re: Technologien verhindern



Hallo Matthias, hallo Liste!

On Sun, 05 Oct 2003 12:46:02 +0200
Matthias Hannich <dumb@xxxxxxxxxxxxx> wrote:
> 
> [...] indem wir zuviel Energie darauf verwenden zu 
> versuchen, bestimmte Technologien und Technoligieansätze zu verhindern, 
> werden wir womöglich am Ende gar nichts erreicht haben. Die Technologie 
> ist da, eine Diskussion darüber ist weitestgehend ausgeblieben, es wurde 
> viel Anstrengung in etwas investiert, was womöglich zweitrangig ist.

M. E. ist es existenzieller Bestandteil des Versuches, eine Technologie zu 
verhindern, Argumente gegen diese Technologie vorzubringen, eine Diskussion 
über diese Technologie anzustoßen.


> Mit "es lohnt sich nicht, eine Technologie (als solche) zu verhinden" 
> meine ich nicht, dass wir hier Däumchen drehen und sagen "ja lasst die 
> mal machen".

ok.


> Aber ob nun die Technik heute geschaffen wird oder morgen 
> ist meines Erachtens egal.

Wenn sie erst morgen geschaffen wird, kann das - je nach Technik -
a) heute Leid, vielleicht sogar Tote verhindern
b) Zeit bieten, einen weniger schlimmen Umgang mit der Technik zu entwickeln.

Vgl. Atombombe: Sie wurde 1945, als sie noch sehr neu war, "einfach" 
eingesetzt. Mehrere Hunderttausend Menschen wurden so getötet.
   Heute hat sich ein gewisser gesellschaftlicher Umgang mit Atombomben 
eingespielt: Schon die Entwicklung solcher Waffen wird sehr kritisch 
betrachtet, ihr militärischer Einsatz ist fast tabu.


> Dein Atombombenbeispiel übertragen auf das was ich meine wäre in etwa:
> Es ist nicht nur falsch, die Welt durch TCPA zu kontrollieren, 
> einzuschränken und zu zensieren, sondern auch an einer Technologie zu 
> arbeiten, die unter anderem dieses ermöglichen kann.

Richtig.


> Hätte man damals versucht die Atombombe zu verhindern, wäre dies 
> vermutlich ein ziemlicher Aufwand gewesen, um nicht zu sagen verschenkte 
> Energie.

Warum? Vielleicht wären Atombomben erst nach 1945 entwickelt worden. Vielleicht 
hätten mehr als zweihunderttausend Menschen in Hiroshima und Nagasaki nicht 
sterben müssen?


> Deine Argumentation halte ich in soweit für gefährlich, als dass man 
> sie, je nach Diskussionspunkt und Standpunkt, beliebig auslegen könnte.
> So wären z.B. Filter böse, weil man damit Informationen filtern kann. 
> Das widerspricht einigen Grundrechten und ist richtig, trotzdem will ich 
> deshalb nicht verhindern, dass Filter entwickelt werden.

Filter sind - wie Brotmesser - für gute und schlechte Dinge einzusetzen. Sobald 
Filter zentral installiert werden sollen, werden sie "böse", bis dahin sind sie 
meiner Meinung nach wertneutral.
   TCPA und Atombomben sind meiner Meinung nach schon in ihrer Existenz böse. 
Es gibt keine wertneutralen (oder gar guten) Atombomben.


> Nur das Atomkraft seit Jahrzehnten etabliert ist, und es heute niemanden 
> interessiert und die AK-Gegner grundsätzlich erstmal "linke Chaoten" 
> sind.

Atomkraft ist ja vieles, aber eines ganz bestimmt nicht: gesellschaftlich 
etabliert.

Seit den späten 1970ern ist Umfragen zufolge ununterbrochen die Mehrheit der 
Bevölkerung gegen Atomkraft. Jutta Ditfurth: "Ohne daß auch nur ein AKW-Gegner 
im Bundestag saß, hatte dieser mehr als 70 von 90 geplanten Atomkraftwerken 
verhindert". Inzwischen behauptet sogar die Regierung, sie hätte den Ausstieg 
aus der Atomkraft erwirkt.
   Im tiefen Bayern (Wackersdorf) trugen konservative Hausfrauen in ihren 
Einkauskörben Pflastersteine zu den Autonomen, im Wendland blockierten 
BäuerInnen Straßen und Schienen, im katholischen Münsterland (Atommülllager 
Ahaus, Urananreicherungsanlage Gronau) dominiert das gelbe X die Vorgärten.
   Oh nein! Wer immer noch glaubt, die Anti-Atomkraft-Bewegung sei 
gesellschaftlich isoliert, lügt sich imho was vor.


> Genmanipulation wird vom Laien wohl eh nicht als so wichtig 
> angesehen

Da habe ich einen völlig entgegengesetzten Eindruck! Kaum ein Mensch will 
genmanipuliertes Essen, gerade deshalb streubt sich die Genindustrie ja so 
gegen Kennzeichnungspflichten.


> und Überwachung? Ach quatsch, das hatten wir in der DDR aber 
> heute haben wir sowas nicht, wir sind im Westen!

Mein Gefühl: Überwachung des öffentlichen Raumes stößt auf erschreckend viel 
Akzeptanz. Überwachung des privaten Raumes stößt auf eine mir oft irrational 
erscheinende Ablehnung.

Gruß


Holger

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