[Debate] EU-Patentkonferenz und Demo morgen in Muenchen
Morgen früh beginnt in der Münchener Residenz der letzte Kraftakt der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft für das Europäische Patentstreit-Abkommen
EPLA, mit dem ein an das Europäische Patentamt (EPA) angedocktes höchstes
Europäisches Patentgericht geschaffen werden soll.
In der letzten EU-Ministerrats-Sitzung ludt die deutsche Präsidentschaft
nochmals alle nationalen Ministerialdelegationen zur morgigen Münchener
Patentjustizkonferenz ein. Auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments
erhielten im März eine Einladung.
Die Veranstaltung ist ganz diesem Ziel verschrieben. Sie wird von Politikern
aus Berlin, Brüssel und München (EPA) und Vertretern der "innovativen
Wirtschaft" dominiert, die dieses Ziel verfechten. Ein paar hochrangige
Richter sind als Redner mit relativ kurzen Beiträgen vertreten.
Wissenschaftler und Kritiker fehlen völlig.
Das Publikum ist handverlesen. Dankenswerterweise erhielt ich als Vertreter
des FFII immerhin Zutritt als Zuhörer, nachdem ich mich beworben hatte. Die
Konferenz findet in der Münchener Residenz statt. Vor deren Toren, auf dem
Max-Josefs-Platz, versammeln sich Freunde von FFII München und Wissensallmende
e.V. ab 8:30, um ihren Standpunkten so gut es geht Gehör zu verschaffen.
Die Veranstalter der Münchener Patentjustizkonferenz beschreiben das Anliegen
der Bundesregierung wie folgt:
"Die Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums und die Durchsetzung
dieser Rechte sind Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten
Halbjahr 2007. Die Schaffung einer einheitlichen europäischen
Patentgerichtsbarkeit ist dabei für die europäische innovative Wirtschaft von
besonderer Bedeutung."
Der Gastgeber Raimund Lutz, der als Präsident des Bundespatentgerichts nach
wie vor Deutschland im Verwaltungsrat des EPA vertritt und auch nach seinem
Wechsel vom BMJ zum BPatG die Berliner Patentpolitik mitprägt, erläutert in
seinem Schreiben, welche Bedeutung die einheitliche Patentgerichtsbarkeit für
die europäische innovative Wirtschaft hat:
"Der Ruf der Nutzer des Europäischen Patentübereinkommens sowie der
einzelstaatlichen Patentrechtsordnungen nach einer europäischen
Patentgerichtsbarkeit ist ungebrochen. Gefordert wird die Schaffung eines
Gerichtes, das international und mit erfahrenen Patentrichtern besetzt mit
Wirkung für alle beteiligten Staaten in einem zügigen und kostengünstigen
Verfahren entscheidet und so ein Höchstmaß an Rechtssicherheit für die
Nutzer des Patentsystems garantiert."
Mit anderen Worten: der Ruf der Bundesregierung nach Einrichtung eines
Europäischen Patentgerichts ist ungebrochen, obwohl von allen Seiten immer
wieder ernste Zweifel daran geäußert werden, dass ein solches Verfahren
kostengünstig wäre. De facto entscheiden nämlich nationale Gerichte wie das
BPatG und das Düsseldorfer Verletzungsgericht für ganz Europa, und die
theoretischen Probleme, die das EPLA zu lösen vorgibt, kommen bei
rechtsbeständigen Patenten in der Praxis kaum vor.
"Die wirtschaftliche Bedeutung liegt auf der Hand: Die europäische Wirtschaft
einschließlich KMU ist über nationale Grenzen hinweg im gemeinsamen Markt
tätig. Ein effektiver Patentschutz für die Betroffenen ist eine
grundlegende Voraussetzung für Investitionen und Beschäftigung in den
einzelnen Unternehmen und --- in der Summe -- im gemeinsamen Markt."
Hier kommt das wirkliche Anliegen: das Europäische Patentamt erteilt jede
Menge Patente, die kaum effektiv geschützt werden können, weil sie vor
nationalen Gerichten im Ernstfall keinen Bestand haben. Damit sich endlich
auch in Europa eine Investoren-Szene
Forbes: Patent Pirates
http://www.forbes.com/free_forbes/2007/0507/044.html?partner=yahoomag
bilden kann, die für Beschäftigung im Patent-Gewerbe sorgt, müssen wir
peinliche Diskussionen über die Grenzen der Patentierbarkeit ein für alle mal
beenden und dafür sorgen, dass die Regeln europaweit einheitlich von einem
kleinen Kreis erfahrener Patentrichter festgelegt werden.
"Die auf der Grundlage der Pariser Regierungskonferenz vom Juni 1999
einerichtete internationale Arbeitsgruppe "Streitregelung" hat als Antwort
einen Vorschlag für die Erreichtung eines Europäischen Patentgerichts
erarbeitet und im Dezember 2005 vorgelegt. Auch die Europäische Kommission
hat Anstrengungen zur Schaffung eines Gemeinschaftspatentsystems
einschließlich einer Gerichtsbarkeit unternommen. Sie hat mit ihrer
Mitteilung vom 3. April 2007 an das Europäische Parlament und den Rat erneut
die Initiative ergriffen und schlägt die Prüfung eines integrierten Ansatzes
mit einer Gerichtsbarkeit vor, die sich inhaltlich stark an dem durch die
Arbeitsgruppe "Streitregelung" erarbeiteten Modell ausrichtet."
D.h. auf dem Symposium stehen nur zwei Ansätze zur Debatte: EPLA und EU-EPLA.
Ferner wird noch über das "Für und Wider von Spezialgerichten" diskutiert.
Grundlegendere Themen, wie sie etwa das Europäische Parlament mit seiner
Resolution vom Oktober 2006 angesprochen hat, nämlich
- unerwünschte Patente
- Streitkosten
- richterliche Unabhängigkeit
- demokratische Kontrolle
stehen nicht auf der Tagesordnung. In wie weit die vorgeschobenen Probleme der
Marktfragmentierung wirklich existieren und wie sie mit einfacheren Mitteln
gelöst werden könnten, ist auch nicht Gegenstand der Diskussion. Dass eine
Machtkonzentration der Patentjustiz erwünscht ist, steht von vorneherein fest.
"Das Symposium bezweckt im Lichte der im Rat unter deutscher Präsidentschaft
durchgeführten Arbeiten eine Diskussion der Thematik unter besonderer
Einbeziehung der Richter. Das Symposium soll Raum für eine Bestandsaufnahme
der bestehenden Vorstellungen aus der Sicht der Wirtschaft, Anwaltschaft und
Richterschaft geben und zugleich Anregung für die weiteren Verhandlungen in
den betroffenen Foren sein."
Auf dem 1.5-tätigen Programm findet man folgende Richter
Robin Jacob, High Court of Justice, Vereinigtes Königreich
Peter Meier-Beck, BGH
sowie Kollegen aus USA, Japan und China mit jeweils relativ kurzen
Redebeiträgen, sowie zwei Richter, die an Podiumsdiskussionen teilnehmen.
Die Richter in ein Aktionsprogramm "einbezogen", die von anderen, nämlich
der "innovativen Wirtschaft" und den folgenden Patentpolitikern
Raimund Lutz, BPatG-Präsident, Vertreter Deutschlands in
EPA-Verwaltungsrat und z.T. EU-Ministerrat
Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz
Thierry Stoll, Patentpolitiker der Europäische Kommission
Erik Noteboom, Patentpolitiker der Europäische Kommission
Roland Grossenbacher, Vorsitzender des EPA-Verwaltungsrates
und den flankierend auftretenden Patentaktivisten aus der Wirtschaft geprägt
wurde. All diese Teilnehmer haben eine führende Rolle beim Versuch gespielt,
die Patentierbarkeit von Software und Geschäftsmethoden in Europa gesetzlich
abzusichern und entsprechende Vorschläge gegen den Widerstand der Mehrheit der
gewählten Gesetzgeber durchzudrücken. Als dies scheiterte, verschob sich der
Schwerpunkt ihrer Aktivität auf das EPLA.
Angesichts eines solch einseitigen Patent-Aktivismus im Namen unserer
Regierungen müssen wir versuchen, irgendwie außerhalb des Konferenzprogramms
unseren Standpunkten Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Mitglieder der Münchener Gruppe des FFII e.V. haben Demonstration vor der
Residenz am Max-Josefs-Platz ist für morgen vormittag ab 9:30 angemeldet.
Dort wird, wie kürzlich schon in Berlin, ein fetter "Patman" mit Transparenten
wie
Fett für die Zukunft
Patente statt Innovation!
werben. Wissensallmende e.V. wird einen "Wissenskäfig" aufbauen. Es gibt
auch eine Reihe von Flugblättern, die wir auf einem Infotisch verteilen. Wir
werden wohl ab 8:30 vor Ort sein. Wohl erst ab 9:30 werden einige
Konferenzteilnehmer, einschließlich Fachjournalisten, an uns vorbeiziehen.
Weitere Informationen zur Konferenz und Demo sind über
http://www.ffii.de/wiki/demo250607
http://eupat.ffii.org/07/06/bpatg25
zu finden.
--
Hartmut Pilch http://a2e.de/i2p
Vorsitzender FFII.de http://www.ffii.de
Patentierbarkeit und Demokratie in Europa http://eupat.ffii.org
_______________________________________________
Debate mailing list
Debate@xxxxxxxxxxxxxx
http://lists.fitug.de:8080/mailman/listinfo/debate