Re: OSS in Zukunft
>>>>> Rainer Sokoll writes:
> <Arabeske> Wie finanzieren sich diese beiden
> Projekte?
Wie üblich, schätze ich: Sun bzw. Netscape/AOL haben einige
Entwickler auf der Gehaltsliste, drumherum gruppiert sich
eine Vielzahl von Freiwilligen, die Arbeitszeit investieren
und selbst eventuell von ihren Firmen dafür bezahlt werden,
weil die sich einen Vorteil versprechen.
> Welche monetären Interessen haben diese Firmen, OSS zu
> unterstützen? </Arabeske>
Man weiß nie, wofür man es brauchen könnte? Sun befindet
sich jetzt in der erfreulichen Lage, einen kompletten
Desktop (eben inkl. Office-Software) anbieten zu können. In
China hatten sie bereits Erfolg, in UK haben sie, IIRC,
ebenfalls einen größeren Vertrag abschließen können. Dabei
geht es m.W. eher um das iPod-Modell: An Inhalt/Software
wenig verdienen, um die Hardware an den Mann zu bringen.
AOL dürfte sich in den überbewerteten Tagen entschieden
haben, weil ein eigener Browser die Abhängigkeit von
Microsoft verringert. Für ein Online-Unternehmen mit
hochfliegenden Plänen nicht ganz unwichtig.
> Wenn man nun Linux im
> unternehmenskritischen Umfeld einsetzt, sagen wir mal als
> Datenbankplattform, wird tatsächlich jedoch nicht Linux
> eingesetzt, sondern Redhat, Suse, was auch
> immer. Finanziell bringt das im Vergleich zu Windows kaum
> Vorteile, wenn überhaupt. Warum also sollte ein
> Unternehmen das tun?
Unternehmen schließen Verträge, weil sie
Verantwortlichkeiten regeln und verbuchbar sind. Zudem
spielen Lizenzkosten angeblich kaum eine Rolle bei der
Entscheidung (kommt wohl auf die Firmengröße an). Inwieweit
so etwas mehr mit Spiritismus als mit einer rationalen
Entscheidung zu tun hat, ist eine ganz andere Frage.
> Fakt ist: Kommerzielle
> Softwarehersteller gehen mit OSS ins Bett, und auch OSS
> legt die Berührungsängste mit Windows ab. Man sehe sich
> die Anzahl der Windows-Projekte auf Sourceforge und
> Freshmeat an. Was bedeutet das für die Zukunft?
Dass auch die armen Seelen, die Windows verwenden müssen,
mit funktionierender Software arbeiten können?
> Kommerzielle Software wird eine Grundkomponente von OSS
> eingepflanzt bekommen: Offene, den Datenaustauch möglich
> machende standardisierte Formate. Proprietäre Formate
> haben wohl nur in wenigen spezialisierten Bereichen eine
> Zukunft.
Wer's glaubt, wird seelig:
Microsoft Creates a Stir in Its Work With the U.N.
http://www.nytimes.com/2004/02/23/technology/23soft.html
> Was wird mit Linux werden? Wie oben gesagt: im
> Unternehmen wird man sich auf eine Distribution
> festlegen.
Bei HP, z.B., legt man sich da nicht sonderlich fest. Intern
wird hauptsächlich Debian verwendet und die Kunden haben die
Wahl zwischen verschiedenen Distributionen.
> Der Hersteller dieser Distribution wird
> verständlicherweise Support nur für die eigenen Produkte
> liefern. "rpm -i" wird supportet und also verwendet,
> "./configure && make && make install" wird nicht supportet
> und also nicht verwendet werden.
Kommt wohl auf den Distributor an. Für mich als Endnutzer
halte ich es für vorteilhaft, wenn Suse und Redhat
konkurrieren anstatt sich abzusprechen.
> Eigentlich ist das dann
> kein OSS mehr! Jedenfalls, wenn man unter OSS nicht nur
> (eine Vielzahl von) Lizenzmodell(en) versteht, sondern
> auch ein kulturelles Phänomen. Wird es ein neues Schisma
> zwischen mehreren freien und mehreren kommerziellen
> Linuxen geben, analog dem zwischen BSD und SysV damals?
> Die Frage für mich lautet: wie kann es OSS gelingen, den
> demokratischen Anspruch weiterzuführen, wenn kommerzielle
> Unterstützer mit im Bett liegen?
Das verstehe ich nicht. Wenn Open Source / Freie Software
offen ist, dann eben auch für kommerzielle Interessen - es
geht schließlich nicht um eine Sekte. (NB: Das Schisma
zwischen Linux und *BSD gibt es auf der Sektierer-Ebene
bereits.)
IBM investiert nicht aus Spaß in Novell, sondern will, dass
die eigene Arbeit, die in Suse investiert wurde, weiterhin
trägt. Außerdem war es kein Zufall, dass Novell Suse
übernommen hat und nicht IBM, HP, Dell oder Sun. Die
Erfahrung mit AIX, HP-UX, Solaris, Irix usw. steckt ihnen
noch in den Knochen. Von daher ist die Situation derzeit
noch so erfreulich, dass die Industrie OSDL unterstützt oder
sich im Consumer Electronics Linux Forum zusammenfindet. Mal
sehen, wie lange es hält.
Letztlich ist der Einfluss einer Distribution wie Debian
nicht zu unterschätzen. Wenn die kommerziellen Distributoren
Mist bauen, werden Unternehmen Support für eine
standardkonforme Distribution einkaufen.
Patrick
--
»Es ist erwiesen«, sagte er, »daß die Dinge nicht anders sein
können, als sie sind, denn da alles um eines Zwecks willen
geschaffen ist, dient alles notwendigerweise dem besten Zweck.«
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