Re: Amitai Etzioni zu Vollanonymitaet und SPAM
Hallo Liste,
Thursday, January 29, 2004, 1:43:59 PM, Florian Laws wrote:
>> Das passiert doch bereits. Oder was glaubst Du, warum die Verkäufe von CDs
>> rückläufig sind? Doch nicht wegen des Esels, sondern weil schlicht keine CDs
>> mit Abspielgarantie mehr angeboten werden.
> Sorry, aber hier verwechselst Du Ursache und Wirkung.
> Die Plattenindustrie hat mit CD-Kopierschutz erst angefangen nachdem
> (und weil!) mp3 und Napster das Kopieren von Musik vom
> Massenphänomen gemacht hat.
Das ist unsinnig. UN-CDs sind ein denkbar ungeeignetes Mittel "im
Kampf gegen Tauschboersen". Fuer die Verbreitung in einer Tausch-
boerse ist es traditionell ausreichend, wenn _eine_ erfolgreiche Ko-
pie erstellt werden kann. Und das schaffen engagierte "Copyrightter-
roristen" regelmaessig einige Wochen bevor eine CD ueberhaupt in den
Handel gelangt.
Abspielschutzmechanismen richten sich primaer gegen unbedarfte _Kaue-
fer_, denen 1:1-Kopien (sicher auch fuer Freunde, Bekannte und, nein,
eben nicht fuer den Schulhof oder Campus, da sich dort immer ein Ex-
perte mit dem neuesten Toolz und dem neuesten Brenner findet, der nun
wieder etwas besser an seinen Kopien _verdient_) mittels CD-Brenner
erschwert werden sollen.
Als potentieller Kunde frage ich mich da schon, warum ich fuer eine
de facto defekte CD 20 Euro zahlen soll. Das Risiko _meine_ Kopie
irgendwann nicht mehr nutzen zu koennen. Und sei es, weil der Ge-
brauch im Auto der Lebensdauer nunmal nicht sonderlich foerderlich
ist?
Ein anderer Punkt duerfte aber wesentlich entscheidender sein:
Koennte es vielleicht auch daran liegen, dass zunehmend mehr Kunden
den Kauf (und nur den Kauf, nicht den Konsum) verweigern, weil das
Verhaeltnis zwischen Inhalt/Qualitaet und Preis nicht mehr akzeptabel
ist? Weil sich die Musikindustrie, bzw. das, was wir von der Musikin-
dustrie in Abhaengigkeit ihrer Selbstdarstellung wahrnehmen, zuneh-
mend auf konturlose Einwegprodukte konzentriert [1]?
Welchen "Wert" haben diese Erzeugnisse? Einen hoeheren, als das un-
mittelbaren Konkurrenzprodukte vom Burgerbrater, eine Kinokarte oder
die Leihgebuehr fuer die Videothek? Eine hoehere Halbwertszeit als
40 an einem langweiligen Schulvormittag getippte Kurzmitteilungen?
Warum soll ich dieses Produkt kaufen, wenn "Superstars" wie Daniel
K. ohnehin dauerpraesent sind [2], ob man will oder nicht?
Ich sehe Tauschboersen hier vor allem als Katalysator der Entwick-
lung, weniger als Ursache:
Siehe auch http://www.ecin.de/state-of-the-art/p2p/ bzw.
http://www.ecin.de/state-of-the-art/p2p/index-2.html
Hatte ich
http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel1778
schon erwaehnt?
MfG
Olaf
[1] Tatsaechlich gibt es abseits des Mainstreams und der Dauerpene-
tration durch immer froehliche Top20-Powerplay-Dudelradios und
die pervertierten Wertschoepfungsmodelle der Majors naemlich
durchaus ein qualitativ hochwertiges Angebot. Es ist vielleicht
groesser wie nie zuvor. Wir muessen es nur wieder finden und
schaetzen lernen.
Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Ohren und Hirn rege-
nerieren, wenn sie nicht mehr mit akustischem Muell belaestigt
werden. Im Grunde bin ich der Musikindustrie fuer ihre un-
gewollte Unterstuetzung auf diesem Gebiet sogar dankbar.
[2] Ist es im Grunde nicht schnurz, ob ich diese omnipraesente Ein-
wegmusik bei Viva und Co. (legal!) "aufnehme" oder etwas geziel-
ter bei Kazaa? Nein, rechtlich natuerlich nicht, aber wie will
ich das als Rechteverwerter noch argumentieren, ohne mich wirk-
lich voellig laecherlich zu machen?
--
Als Gutenberg die Druckerpresse erfand, wurden plötzlich hunderte
Mönche, die ihr Leben dem Abschreiben von Büchern gewidmet hatten,
in den deutschen Klöstern arbeitslos. "Was taten sie?", fragte
Orihuela. Seine Antwort: "Manche begannen zu denken. - Manche aber
begannen Bier zu brauen."
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