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[Fwd: Personenbezogene Daten beim Kauf eines Prepaid-Handys]



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- -------- Original-Nachricht --------
Betreff: Personenbezogene Daten beim Kauf eines Prepaid-Handys
Datum: Sun, 02 May 2004 23:55:16 +0200
Von: Holger Voss <hvoss@xxxxxxxxxxx>
An: Datenschutzbeauftragte NRW <poststelle@xxxxxxxxxx>

Holger Voss
[...]                                        E-Mail: <hvoss@xxxxxxxxxxx>
~                                               Tel.: (+49) (0)251/[...]
48145 Münster                                   Fax: (+49) (0)251/[...]


Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
~    Nordrhein-Westfalen
Frau Bettina Sokol
<poststelle@xxxxxxxxxx>

Düsseldorf


~                                                 Münster, den 02.05.2004


Personenbezogene Daten beim Kauf eines Prepaid-Handys


Sehr geehrte Frau Sokol,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe vor wenigen Tagen in verschiedenen Geschäften versucht, anonym
ein Handy mit Prepaid-Karte zu kaufen. - Vergeblich.
~    In jedem der von mir aufgesuchten Läden wurde mir der Verkauf des
Handys verwehrt, als ich mich weigerte, personenbezogene Daten
preiszugeben: Ohne Vorlage meines Personalausweises könne mir das Handy
nicht verkauft werden.

Ich möchte Sie hiermit bitten, mich in dieser Angelegenheit zu unterstützen:
~    Wie kann ich im Einzelhandel mein Recht (nach § 89 Abs. 10 TKG)
durchsetzen, ohne Preisgabe personenbezogener Daten ein Prepaid-Handy zu
erwerben?


Aus meiner Sicht ist das Verhalten des Einzelhandels hier eindeutig
illegal. § 89 Telekommunikationsgesetz (TKG) Abs. 10 Satz 1 gebietet:
"Die geschäftsmäßige Erbringung von Telekommunikationsdiensten und deren
Entgeltfestlegung darf nicht von der Angabe personenbezogener Daten
abhängig gemacht werden, die für die Erbringung oder Entgeltfestlegung
dieser Dienste nicht erforderlich sind."

Demnach dürfte sich kein Anbieter weigern, mit mir einen Vertrag über
einen Telekommunikationsdienst abzuschließen, nur weil ich keine
personenbezogenen Daten preisgeben will;
~    1: ... es sei denn, eine übergeordnete Rechtsvorschrift würde
anderes vorschreiben oder
~    2.: ... es sei denn, die Erbringung oder Entgeltfestlegung der
Dienste würde die Erhebung personenbezogener Daten meiner Person
erforderlich machen.

Punkt "2." lässt sich leicht ausschließen: Anonym auf dem Flohmarkt
gehandelte Prepaid-Karten beweisen exemplarisch, dass der
Telekommunikationsdienst funktioniert und korrekt abgerechnet wird, auch
wenn dem Anbieter keine personenbezogenen Daten der Nutzerin/des Nutzers
bekannt sind.

Bleibt also Punkt "1.".
~    Neben den gundlegenden gesetzlichen Bestimmungen
~  - des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (laut Urteil
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15.12.1983 abzuleiten aus
Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und
~  - der Grundsätze der Datenvermeidung sowie der Datensparsamkeit (§ 3a
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG))
~    verbietet § 89 Abs. 10 Satz 1 TKG ausdrücklich die unfreiwillige
Erhebung personenbezogener Daten in diesem Zusammenhang.

Gibt es aber übergeordnete Vorschriften, die eine Erfassung
personenbezogener Daten trotz des Verbotes in § 89 Abs. 10 TKG erlauben?
~    Dazu hat sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Urteil
vom 22.10.2003 (Az.: BVerwG 6 C 23.02) geäußert:
~    Die dort verhandelten Gebote zur Erhebung personenbezogener Daten
bei Prepaid-Handys waren nicht rechtmäßig. So heißt es in der Entscheidung:
~    "Das von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete
Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst die Befugnis des
Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner
persönlichen Daten zu bestimmen [...]. Die hier in Rede stehenden Daten
unterfallen [...] ganz überwiegend dem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung. Eine Datenerhebungspflicht beeinträchtigte das
Grundrecht."
~    "Die Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
der Kunden entbehrt nicht etwa deshalb der Eingriffsqualität, weil die
Kunden in den Eingriff durch die Bereitschaft einwilligen würden, mit
dem Diensteanbieter einen zivilrechtlichen Vertrag abzuschließen, dessen
Zustandekommen von der Preisgabe personenbezogener Daten abhängt. Ein
wirksamer 'Grundrechtsverzicht' kommt nur in Betracht, wenn dieser
freiwillig erfolgt [...]. Von einer freiwilligen Einwilligung in die
Grundrechtsbeeinträchtigung kann hier nicht gesprochen werden. [...]
Deshalb kann in dem Abschluss eines Vertrags, der mit der Pflicht zur
Offenbarung personenbezogener Daten verknüpft ist, kein freiwilliger
Verzicht auf das durch die Datenerhebung beeinträchtigte Recht auf
informationelle Selbstbestimmung gesehen werden."
~    "Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre
nur gerechtfertigt, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruhte,
die dem Gebot der Normenklarheit entspricht."
~    "Es ist ferner zu berücksichtigen, dass diesem Grundrecht die
Grundsätze der Datenvermeidung und -sparsamkeit zu entnehmen sind, wie
sich insbesondere aus dem Gebot ergibt, nur die erforderlichen Daten
unter Verzicht auf eine Vorratsspeicherung zu erheben (vgl. BVerfG,
Urteil vom 15. Dezember 1983 [...])."
~    "Fehlt eine solche [Datenerhebungs-]Pflicht [der Diensteanbieter],
so hat das die ihrerseits unter systematischen Gesichtspunkten
unbedenkliche Folge, dass § 90 Abs. 1 TKG in der Weise an § 89 TKG
anknüpft, dass die in die Kundendateien aufzunehmenden Daten zuvor auf
der Grundlage des § 89 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a TKG zulässigerweise
erhoben sein müssen." [Dort heißt es: "Nach Maßgabe der Rechtsverordnung
dürfen Unternehmen und Personen, die geschäftsmäßig
Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher
Dienste mitwirken, die Daten natürlicher und juristischer Personen
erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dies erforderlich ist 1.        zur
betrieblichen Abwicklung ihrer jeweiligen geschäftsmäßigen
Telekommunikationsdienste, nämlich für a) das Begründen, inhaltliche
Ausgestalten und Ändern eines Vertragsverhältnisses [...]".]
~    "Dem Gesetzgeber war [...] zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens
die mit der Vermarktung von Prepaid-Produkten einhergehende Problematik
anonymer Kundenverhältnisse und die daraus sich ergebenden Schwierig-
keiten für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs bekannt."


Frau Sokol, ich freue mich auf Ihre Antwort und
verbleibe mit freundlichen Grüßen

Ihr


Holger Voss

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