Re: [Debate] FYI: Zensur im Globalen Dorf - das Web und die Meinungsfreiheit
Rigo Wenning <rigo@xxxxxxxx> writes:
> On Wednesday 23 May 2007, Thomas Stadler wrote:
>> Am 23 May 2007, um 20:48 hat Peter Ross geschrieben:
>> > Datenschutz fuer eine oeffentlich geaeusserte Meinung klingt
>> > irgendwie nach Absurdistan fuer mich..
>>
>> Ein Posting in eine Mailingliste ist ja nicht unbedingt eine
>> oeffentlich geausserte Meinung.
>
> Eine Meinungsäusserung an eine unbestimmte Zahl Dritter? Wo ist in einer
> offenen Mailing-Liste oder in Usenet-News eine bestimmte Anzahl vorher
> bekannter Leute?
Adressaten eines Beitrags, der über eine Mailingliste verteilt wird,
sind die Abonnenten der Liste. Sonst niemand. Das ist ein bestimmter
Personenkreis. An sie wird die Mail weiterversandt, nachdem man sie an
die Liste geschickt hatte. Etwas anderes -- ein Versand an oder ein
Zugriff durch Personen, die die Liste nicht abonniert haben über ein
Archiv -- setzt voraus, daß der Abonnent dem vorher zugestimmt
hätte. Das muß man ihm in aller Klarheit sagen.
>> Solange sich der Vorgang in der Wiedergabe der vom User selbst
>> geposteten Meinungsaeusserung erschoepft, wuerde ich Dir Recht geben.
>>
>> Der Punkt ist aber der, dass ueber das Posting hinaus eine zweite
>> datenschutzrechtlich relevante Handlung stattfindet und zwar die
>> Zugaenglichmachung eines Listenarchivs ueber das Web. Das ist eine
>> zusaetzliche Datenverarbeitung.
>
> Also eine Zweitveröffentlichung.
Genau genommen ist die Archivierung und Bereitstellung für Dritte die
erste Veröffentlichung des Beitrags an einen unbestimmten
Personenkreis.
> Da kommen mir 2 Gedanken:
> 1/ Urheberrecht: Haben wir die notwendige Schöpfungshöhe oder wie klein
> ist die kleine Münze geworden?
Meine Postings sind so sorgfältig in alter deutscher Rechtschreibung
gearbeitet, daß sie allein dadurch schon eine gewisse Schöpfungshöhe
aufweisen. ;-) SCNR.
> 2/ Die FITUG-listen sind nicht seit gestern archiviert im Netz. Wie
> stark muss man also den Nutzer an die Hand nehmen und wieviel
> Eigeninitiative kann man von ihm verlangen hinsichtlich der
> Folgenabschätzung seines eigenen Verhaltens? Wenn er hier diskutierte
> Themen gegoogled hat, dann ist sicher schonmal aufs Archiv
> gestossen.
Reicht nicht aus. Es muß beim Abonnement auf das Archiv hingewiesen
werden, mit einem Kästchen zum Ankreuzen. Und Oberflächen in
englischer Sprache sind auch so ein Thema, wenn es um einen deutschen
Verbraucher geht...
> 3/ Im Datenschutz scheint mir Par 29 BDSG einschlägig:
> Das geschäftsmäßige Erheben, Speichern oder Verändern personenbezogener
> Daten zum Zweck der Übermittlung [...] ist zulässig, wenn [...]
> 2. die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können
> oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei
> denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem
> Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich
> überwiegt.
>
> Da sich jeder auf eine offene Mailing-liste schreiben kann, sehe ich
> nicht, warum sie nicht öffentlich zugänglich sein sollte.
Nein, andersrum wird ein Schuh draus: "Öffentlich zugänglich" ist zB
das Telefonbuch. Das ist sozusagen ein "Archiv" von Telefonnummern und
ihnen zugeordneten Teilnehmern zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da es
sich um personenbezogene Daten handelt, muß man der Veröffentlichung
zustimmen. Man kann ihr -- umgekehrt -- widersprechen.
Diese Möglichkeit muß es auch bei einer Mailingliste geben. Gibt es
sie nicht und wird jedes Posting "zwangsveröffentlicht", so muß man
dies dem User vorher sagen.
>> Die Frage ist also die, ob ein Teilnehmer einer Mailingliste damit
>> rechnen muss, dass seine Postings auch (dauerhaft) ueber das Web
>> abrufbar sind und damit einverstanden ist. Viele User glauben
>> naemlich gerade bei Mailinglisten, dass sie mal kurz etwas posten,
>> 200 Listenmitglieder das lesen und die Sache damit erledigt ist. Sie
>> sind dann oft ziemlich baff, wenn sie ihr Posting nach drei Jahren im
>> Web finden und das sogar mittels einer simplen Google-Recherche.
>
> Das ist ein altes juristisches Problem, das man in jedem
> Urheberrechtsbuch findet: Die Veröffentlichung von Briefen durch den
> Empfänger. Wenn die Schöfpfungshöhe nicht stimmt, dann kann man nichts
> machen, wenn die Schöpfungshöhe da ist, wird die Diskussion sehr sehr
> schwierig, meiner nicht sehr wissenden Meinung nach.
Mit der Schöpfungshöhe hat das eigentlich gar nichts zu tun. Interne
Mitteilungen sind meist durch eine Verschwiegenheitspflicht aus
Vertrag oder Gesetz bzw. deliktisch (823 II BGB iVm Datenschutz) vor
einer Veröffentlichung geschützt.
Grüße,
Jürgen.
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