PM: Einhellige Ablehnung der Koalitionsplaene zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten
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Einhellige Ablehnung der Koalitionspläne zur Vorratsspeicherung von
Telekommunikationsdaten
27 Verbände lehnen in einer heute veröffentlichten Gemeinsamen Erklärung
einen Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ab, dem
zufolge künftig Daten über jede Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und
Internet auf Vorrat gesammelt werden sollen (sog.
"Vorratsdatenspeicherung"), damit sie Polizei und Staatsanwaltschaften
zur Verfügung stehen. Die Verbände bezeichnen es als "inakzeptabel", dass
ohne jeden Verdacht einer Straftat sensible Informationen über die
sozialen Beziehungen, die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation
von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gesammelt
werden sollen. Getragen wird die Gemeinsame Erklärung von Bürgerrechts-,
Datenschutz- und Menschenrechtsverbänden, von Journalistenorganisationen
und Medienverbänden, von der Internetwirtschaft und der Telefonseelsorge,
von Anwalts- und Juristenverbänden sowie von der Verbraucherzentrale.
Neben einer verbesserten Strafverfolgung begründet die Bundesregierung
die geplante Vorratsdatenspeicherung damit, dass eine EG-Richtlinie vom
März 2006 umgesetzt werden müsse. Diesem Argument erteilt der Jurist
Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine Absage: "Die
Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist so offensichtlich
rechtswidrig, dass Deutschland zu ihrer Umsetzung nicht verpflichtet
ist." Die Gemeinsame Erklärung von heute erläutert: "Die Richtlinie
verstößt gegen die im Europarecht verankerten Grundrechte und ist in
vertragsverletzender Weise zustande gekommen." Seit Juli 2006 ist gegen
die Richtlinie bei dem Europäischen Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage
anhängig. Die Verbände fordern, zumindest den Ausgang dieser Klage
abzuwarten, bevor eine "derart weitreichende Registrierung des Verhaltens
der Menschen in Deutschland" beschlossen wird.
Den angeblichen Nutzen einer Vorratsdatenspeicherung stellt eine
ausführliche Analyse des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom Freitag
in Frage. Danach fehlten den Strafverfolgern Kommunikationsdaten nur
selten. Aus einer Studie des Bundeskriminalamts ergebe sich, dass eine
Vorratsdatenspeicherung die durchschnittliche Aufklärungsquote "von
derzeit 55% im besten Fall auf 55,006% erhöhen" könne. Eine
Vorratsdatenspeicherung hätte in Irland und anderen Staaten keinen
ersichtlichen Einfluss auf die Kriminalitätsrate gehabt. "Somit ist nicht
erkennbar, dass eine Vorratsdatenspeicherung die Sicherheit der
Bevölkerung stärkt."
Stattdessen würde die Datenspeicherung "Millionen von Euro kosten, die
Privatsphäre Unschuldiger gefährden, vertrauliche Kommunikation
beeinträchtigen und den Weg in eine immer weiter reichende
Massenansammlung von Informationen über die gesamte Bevölkerung ebnen."
Müsse jeder die Aufzeichnung großer Teile seines Kommunikations-,
Bewegungs- und Internetnutzungsverhaltens bedenken, seien
"Kommunikationsstörungen und Verhaltensanpassungen" zu erwarten. Deshalb
schade die Massendatenspeicherung der "freiheitlichen Gesellschaft
insgesamt", so die Stellungnahme des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
gegenüber dem Bundesjustizministerium.
Die Gemeinsame Erklärung vom 22.01.2007 im Wortlaut:
"Gemeinsame Erklärung zum Gesetzentwurf über die Vorratsdatenspeicherung
Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung sieht
vor, Telekommunikationsunternehmen ab Herbst 2007 zu verpflichten, Daten
über die Kommunikation ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Zur
verbesserten Strafverfolgung soll nachvollziehbar werden, wer mit wem in
den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung
gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige
Standort des Benutzers festgehalten werden. Bis spätestens 2009 soll
zudem die Nutzung des Internet nachvollziehbar werden.
Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in
Deutschland halten wir für inakzeptabel. Ohne jeden Verdacht einer
Straftat sollen sensible Informationen über die sozialen Beziehungen
(einschließlich Geschäftsbeziehungen), die Bewegungen und die
individuelle Lebenssituation (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten,
Psychologen, Beratungsstellen) von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen
und Bundesbürgern gesammelt werden. Damit höhlt eine
Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und
andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigt Wirtschaftsspionage. Sie
untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit die
Pressefreiheit im Kern. Die enormen Kosten einer Vorratsdatenspeicherung
sind von den Telekommunikationsunternehmen zu tragen. Dies wird
Preiserhöhungen nach sich ziehen, zur Einstellung von Angeboten führen
und mittelbar auch die Verbraucher belasten.
Untersuchungen zeigen, dass bereits die gegenwärtig verfügbaren
Kommunikationsdaten ganz regelmäßig zur effektiven Aufklärung von
Straftaten ausreichen. Es ist nicht nachgewiesen, dass eine
Vorratsdatenspeicherung besser vor Kriminalität schützen würde. Dagegen
würde sie Millionen von Euro kosten, die Privatsphäre Unschuldiger
gefährden, vertrauliche Kommunikation beeinträchtigen und den Weg in eine
immer weiter reichende Massenansammlung von Informationen über die
gesamte Bevölkerung ebnen.
Rechtsexperten erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht eine Pflicht
zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten für
verfassungswidrig erklären wird. Außerdem wird erwartet, dass die EG-
Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vor dem Europäische Gerichtshof
keinen Bestand haben wird. Die Richtlinie verstößt gegen die im
Europarecht verankerten Grundrechte und ist in vertragsverletzender Weise
zustande gekommen. Irland hat bereits Klage gegen die Richtlinie erhoben.
Der Ausgang dieser Klage sollte zumindest abgewartet werden.
Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der Medien, der freien Berufe
und der Wirtschaft lehnen wir das Vorhaben einer Vorratsdatenspeicherung
geschlossen ab. Wir appellieren an die Politik, sich grundsätzlich von
dem Vorhaben der umfassenden und verdachtsunabhängigen Speicherung von
Daten zu distanzieren."
Unterzeichner:
* Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
* Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)
* Chaos Computer Club e.V. (CCC)
* Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
* Deutsche Liga für Menschenrechte e.V.
* Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) e.V.
* Deutscher Journalisten-Verband (DJV)
* Deutscher Presserat
* eco Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.
* Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e.V.
* Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V. (FFII
Deutschland)
* Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
e.V. (FIfF)
* Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD)
* Gustav Heinemann-Initiative (GHI)
* Humanistische Union e.V.
* Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR)
* Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
* Netzwerk Neue Medien e.V.
* netzwerk recherche e.V.
* Neue Richtervereinigung e.V. (NRV)
* no abuse in internet e.V. (naiin)
* Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
* Repubikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
* STOP1984
* Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ)
* Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
* Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)
Diese Pressemitteilung im Internet:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/index.php?option=com_content&task=view&id=80&Itemid=55
Ausführliche Stellungnahme des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/stellungnahme_vorratsdatenspeicherung.pdf
Ansprechpartner für Presseanfragen:
- Patrick Breyer, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Tel. 0170/5190598
- Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) e.V.,
Tel. 0421/703354
- Bettina Winsemann (Twister), STOP1984, Email: twister@xxxxxxxxxxxx,
Tel.: 0208/4374729
- Werner Hülsmann, Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V., Email: werner@xxxxxxx,
Tel.: 07531/3659056
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