[FYI] T-Online geht weiter gegen Verbot der IP-Adressenspeicherung vor
Gestern im Heise Newsticker: http://www.heise.de/newsticker/meldung/71999
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T-Online geht weiter gegen Verbot der IP-Adressenspeicherung vor
T-Online hat im Streit um die Speicherung von IP-Adressen bei
Flatrate-Nutzern bis 80 Tage nach Rechnungsstellung
Nicht-Zulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen ein Urteil
des Landgerichts Darmstadt[1] eingereicht. Dies bestätigte ein Sprecher
des Providers gegenüber heise online. Der in Darmstadt angesiedelte
Ableger der Deutschen Telekom unternimmt damit gehörige Anstrengungen,
um an seiner von Datenschützern kritisierten Praxis der Aufbewahrung von
Nutzerdaten festhalten zu können. Denn angesichts des niedrig
angesetzten Streitwerts in Höhe von 4000 Euro hatte das Landgericht eine
Revision nicht zugelassen. Der Internetanbieter muss daher beim BGH
zunächst erreichen, dass die Fortführung der juristischen
Auseinandersetzung überhaupt zugelassen wird und dafür etwa den vom
Gericht festgelegten Streitwert anfechten.
In dieser Frage hatte T-Online ursprünglich zu Protokoll gegeben, dass
eine spezielle Behandlung der Verbindungsdaten nebst IP-Adressen des
Klägers nicht möglich sei. Vielmehr müsse kostspielig das gesamte
Abrechnungssystem geändert werden. Inzwischen hat T-Online aber
anscheinend doch andere Möglichkeiten gefunden. Denn es seien dem Urteil
entsprechend nicht nur bereits aufgezeichnete Verbindungsdaten des
klagenden Flatrate-Nutzers gelöscht worden, betonte der
Unternehmenssprecher. Vielmehr würden "die zukünftig anfallenden
Verbindungsdaten des Kunden nach Übermittlung an uns ebenfalls
identifiziert und gelöscht". Eine Ausweitung der Datenlöschung auf
andere Nutzer sei nicht erforderlich, da der Richterspruch Rechtskraft
lediglich zwischen den beiden streitenden Parteien entfalte.
Bei dem Kläger handelt es sich um den Münsteraner Holger Voss, der
Anfang 2003 wegen eines satirischen Beitrags in einem Forum des zum
Heise Zeitschriften Verlag gehörenden Online-Magazins Telepolis
angeklagt[2] und freigesprochen[3] worden war. In diesem Verfahren wurde
ihm klar, dass T-Online die Kunden zugewiesenen IP-Adressen bis zu 80
Tage nach Rechnungslegung in Verbindung mit den persönlichen
Bestandsdaten der Nutzer speichert. Während dieses Zeitraums können
Ermittlungsbehörden mit einem richterlichen Beschluss die Herausgabe
dieser Daten erwirken.
T-Online hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Aufbewahrung der
Verbindungsdaten für die Abrechnung des Internetzugangs selbst
erforderlich sei. Schließlich könnte je nach Wahl der Zugangsart über
ein Analog-Modem, einen ISDN-Anschluss oder über Handy beziehungsweise
bei der Einrichtung eines weiteren Nutzers ein zusätzliches,
zeitabhängiges Entgelt fällig werden. Zum anderen biete man über die
eigene Online-Plattform eine Vielzahl weiterer Dienste an, bei denen
zusätzliche und zum Teil auch volumenabhängige Kosten anfallen könnten.
Voss hatte demgegenüber argumentiert, dass trotzdem die bei der
DSL-Einwahl anfallenden Daten nicht gespeichert werden müssten.
Das Landgericht gab dem Kläger größtenteils Recht. Wie aus der
inzwischen vorliegenden Begründung des Urteils hervorgeht, hat die
Kammer festgestellt, dass IP-Adressen nach Verbindungstrennung zu
löschen sind und Volumendaten bei Flatrates erst gar nicht erhoben
werden dürfen. Anfangs- und Endzeitpunkt der Verbindungen dürfen nur
ausnahmsweise gespeichert werden, wenn -- wie bei T-Online -- "nach dem
zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zeitabhängige Entgelte
entstehen" können. Zudem hat das Gericht klargestellt, dass einschlägige
Paragraphen aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) zur
"Missbrauchsbekämpfung" nur "vorfallsbezogene Maßnahmen" bei der
Archivierung von Nutzerdaten rechtfertigen, aber keine "generelle
Speicherung".
Das Urteil arbeitet weiter heraus, dass Zugangsanbieter keinen
Teledienst erbringen, sondern einen Telekommunikationsdienst. Das
bedeutet laut dem Elmshorner Juristen Patrick Breyer, "dass für
Access-Provider der Bundesbeauftragte für Datenschutz zuständig ist und
nicht das Regierungspräsidium Darmstadt". Dieses habe seine
Zuständigkeit als vermeintliche Aufsichtsbehörde für den Datenschutz bei
T-Online zu Unrecht angenommen. Die Behörde hatte die Speicherpraxis des
Providers zunächst in vollem Umfang für rechtens erklärt. Breyer hatte
daraufhin in einer Eingabe an die EU-Kommission die nach EU-Recht nicht
erlaubte direkte Anbindung von Datenschutzstellen an den Staat beklagt.
Brüssel reagierte mit der Einleitung eines
Vertragsverletzungsverfahrens[4] gegen Deutschland, da die "Organisation
der für die Überwachung der Datenverarbeitung im nicht-öffentlichen
Bereich zuständigen Kontrollstellen nicht mit Gemeinschaftsrecht
vereinbar" sei.
Zur Erstellung der Begründung für die Nicht-Zulassungsbeschwerde hat
sich T-Online laut Voss bis zum 29. Mai Zeit ausbedungen. Die Begründung
wäre eigentlich schon am 29. März fällig gewesen, aber der Provider habe
eine Fristverlängerung erwirkt. T-Online versucht nach Ansicht Voss' das
Verfahren hinauszuzögern, bis Änderungen an der gesetzlichen Lage eine
umfassende Vorhaltung von Verbindungsdaten sogar verbindlich machen würden.
In diesem Sinne erinnerte der T-Online-Sprecher an den Beschluss des
EU-Parlaments zur Vorratsspeicherung[5] von Telefon- und
Internetverbindungsdaten. Gehe man davon aus, dass demnächst eine
entsprechende Regelung in deutsches Recht transformiert[6] werde, die
eine Speicherung der Zugangs- und Verbindungsdaten der Dienste E-Mail
und VoIP vorsieht, ergebe sich ein geradezu konträres Szenario. Voss
hält es angesichts der jüngsten Entwicklungen für nötig, dass es zum
Schutz der IP-Adressen weitere Prozesse und öffentlichen Druck auf
Provider sowie die datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden gibt.
Außerdem müsse die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung gerichtlich
gestoppt werden.
Siehe dazu auch:
* T-Online darf nur für Rechnung nötige Verbindungsdaten speichern[7]
* Berufungsverhandlung gegen T-Online wegen Speicherung von
Kundendaten[8]
* IP-Adressspeicherung wird Gerichte weiter beschäftigen[9]
* Aufbewahrungsverbot[10], Gericht untersagt Speicherung von
dynamisch zugewiesenen IP-Adressen, c't 15/05, S. 32
* Gericht: Speicherung von IP-Adressen bei T-Online rechtswidrig[11]
* T-Online wegen Speicherung von Flatrate-Kundendaten verklagt[12]
* Freispruch für Telepolis-Forenteilnehmer Holger Voss[13]
* Auch Online-Diskussionen haben rechtliche Grenzen[14]
* Forumsteilnehmer muss sich vor Gericht verantworten[15]
* Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten in der Telekommunikation[16]
(Stefan Krempl) /
(jk[17]/c't) (jk/c't)
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