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Re: FITUG: Meinungsfreiheit braucht Linkfreiheit



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Hash: SHA1

Hi,

- -- Florian Weimer <fw@xxxxxxxxxxxxx> wrote:

> Offizielle BelWue-Policy ist, daß IP-Adresse nicht anonym sein
> (d.h. einen Reverse Lookup haben) sollten. Das steht auch in einem der
> Arbeitsberichte.

oha!

Nun, dann sag das mal nicht nur dem LKA (wobei ich es hier korrekt finde,
keinen entsprechenden DNS-Eintrag zu haben; mal abgesehen von der
Belwue-Policy), sondern auch dem ZKM. Bekanntermaßen steht ja der ODEM-Server
im ZKM und damit im Belwue-Netz.
Ich habe mehrfach gebeten, dass die Kiste einen funktionierenden
Reverse-Lookup erhält ...

Naja, da im Augenblick wieder mal "wir werfen Euch raus"-Stimmung ist, muss
ich sowieso endlich einen neuen Standort suchen.


>> Also ist Löschen für Dich die Konsequenz, und in Zukunft nicht mehr darüber
>> reden?
> 
> Nein, sauber darüber reden. Ich kann über eine Gerichtsverhandlung
> auch berichten, wenn ich die Zeugen und den Angeklagten nicht beim
> vollen Namen nenne. 

ja, das kann man. Wenn es aber um ganz bestimmte Zeugen und Angeklagten geht,
dann ist das durchaus schwer und das Gegenteil im Interesse der
Öffentlichkeit. Zum Beispiel die Verfahren von Ackermann, Kanther usw.

Was ich da mit sagen will: pauschale Lösungen helfen nicht, 


> Bei den beiden Webseiten ist es für die Diskussion
> um die Sperrverfügung auch völlig ausreichend, auf entsprechende
> aufklärende Seiten zu verlinken -- 

bitte? Auf welche denn?


> eben weil es überhaupt nicht um die
> gesperrten Inhalte geht, sondern ums Filtern an sich.

das kommt auf den Kontext drauf an!

Selbstverständlich geht es um Lauck, Rotten, Stormfront. Selbstverständlich
muss man diese Seiten sehen um darüber reden zu können. Selbstverständlich
ist eine Antwort auf die Frage "was soll denn gesperrt werden" wichtig!

Wenn man nur allgemein um Sperren geht, dann kann man die Sachen auch
weglassen. Ich habe auch an diversen Stellen Lauck, Stormfront und Co. mit
IDGR verlinkt. Da wo es passt.

In Deinem Posting ging es aber auch darum, was unter einer IP sonst noch zu
erreichen ist, hier ist es wiederum zwangsweise nötig die entsprechenden
Sites zu benennen.


> Aber klar, wenn wir mal vom vorliegenden Beispiel abstrahieren, sieht
> das vielleicht anders aus.

es kommt eben immer auf den Einzelfall an. Nichts anderes sage ich seit
Jahren.


>> Diejenigen unter Euch, die Links pauschal als potentiell strafbares
>> Verbreiten und Zugänglichmachen ansehen, müssen auch sagen dass ...
>> 
>>   - eine Antwort auf die Frage "Was soll denn konkret gesperrt werden"
>>     strafbar ist wäre
> 
> Nicht zwangsläufig, siehe oben.

Also darf man Links nicht pauschal als Verbreiten und Zugänglichmachen
ansehen.


>>   - sich die Verantwortlichen des FITUG e.V. strafbar machen würden, 
>>     da auf der Website bekanntermaßen im Archiv die URLs verlinkt sind
> 
> Mein Mitleid mit FITUG ist in diesem Punkt ziemlich begrenzt, was aus
> deren Einstellung zur Integrität des Archives und den damit
> verbundenen Konsequenzen resultiert.

hier geht es aber nicht um FITUG-bashing 


>>   - diejenigen, die die URLs in Newsgroups, Mailinglisten, Chats 
>>     und Foren nennen, sich strafbar machen würden
> 
> Chats als Form der Veröffentlichung? Na ich weiß nicht. 

ja natürlich!

Wenn jemand Nazi-Krimsekrams verbreitet, kommt es nicht drauf an ob er es an
die coolen Jungs an der Tankstelle oder in der Fußgängerzone an jeden
verteilt.


> Auf alle
> Mailinglisten trifft dies sicherlich auch nicht zu. 

Dito.

Nehmen wir mal die I-Worker. Rund 1000 Leser. Jemand fragt "welche Websites
sollen gesperrt werden"? ==> und die Antwort wäre strafbar.


Wollen wir in einem Staat mit freiheitlich demokratischer Grundordnung leben
oder nicht?


>>   - die Frage "hallo, was haltet Ihr von ..." strafbar wäre
> 
> Ich mußte beim ersten Mal, als ich das las, irgendwie an Peter H.
> denken. 8-)

huch, warum?
Da stehe ich gerade auf dem Schlauch ;-)


>>   - die Linkliste von Burks ebenso illegal wäre wie ein Verweisen
>>     auf diese
> 
> Naja, ich glaube halt nicht an solche Automatismen. Das Strafrecht
> kennt keine vollständige Induktion.

Aber genau das war doch die Forderung die hier aufkam: Links auf
rechtswidriges Zeug seien erstmal strafbar.

> 
>>   - Links auf zweifelhafte Websites, auch zivilrechtlich zweifelhafte,
>>     verboten sein sollten
> 
> Bei zivilrechtlichen Sachen bist Du als Linksetzender heute schon
> regelmäßig der Dumme, da es auf ein Verschulden meist überhaupt nicht
> ankommt. 

Wollen wir das? DAS ist doch die Frage.

Aber wenn ich da recht im Bilde bin, urteilen da auch die Gerichte zunehmend
differenzierter.


>> Hier würde jegliche Diskussion über entsprechende Inhalte zensiert.
> 
> Ich halte das ein wenig für übertrieben. 

das wäre aber die logische Konsequenz aus der Annahme, dass Links erstmal
strafrechtlich relevant sind.

Wenn ich die URL nicht mehr erwähnen darf, dann kann ich ebenso schreiben
"Lauck ist gar kein Nazi" wie "Lauck ist ein ganz gefährlicher,
hochintelligenter, geschickter Rechtsextremist, der auf seiner Website
einfühlsam Kinder zum Rechtsextremismus führt".


> Kurzum: Mit ein bißchen Verrenkung müssen wir immer leben müssen, und
> ein Teil ist schlicht aus, wie soll ich sagen, metaphysischen Gründen
> unvermeidbar.

Das ist aber nicht meine Vorstellung von einem freiheitlichen Staat.

Wir sollten doch mal überlegen, warum das Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung (hier bitte nicht mit den Sperrverfügungen an sich
verwehseln) eingeschränkt werden kann. Doch nicht aus heiterem Himmel,
sondern weil es u.U. die Grundrechte anderer tangiert. Also zum Beispiel beim
Aufruf zu Mord oder bei Volksverhetzung. 

Und dann müssen wir mal schauen, wessen Grundrecht derjenige der einen
Hyperlink zu Lauck setzt einschränkt. Und was schwerer wiegt: das Recht auf
freie Meinungsäußerung bzw. die Publikationsfreiheit oder der Schutz der
persönlichen Ehre evtl. betroffener etc.


>> in diesem Falle mag das unnötig sein. Aber sollen wir uns
>> tatsächlich Sprache und Unterhaltung zensieren lassen, nur weil
>> etwas möglicherweise unötig ist?  Soll niemand mehr fragen dürfen:
>> "Hallo, was hälst Du von [Lauck-URL]"?
> 
> Privat ist das völlig in Ordnung. In der Öffentlichkeit ist das etwas
> völlig anderes. Nun ist es zugegebenermaßen etwas schwierig, sich
> z.B. via Blog nicht öffentlich zu äußern.

für eine grundsätzliche Strafbarkeit ist es egal, in welchem Rahmen die Taten
begangen werden. Also an der Tanke oder in der Fußgängerzone.

Und hinzu kommt, dass wir mit dem Internet neue Möglichkeiten der
Kommunikation haben. Und genau diese Möglichkeiten sind es, die von vielen
aufgrund von Unwissenheit eingeschränkt werden sollen.

Die Versprechungen von der globalen Informationsgesellschaft, die das
Internet mal brachte, die können so nicht eingelöst werden.


> Als Richtschnur könnte ich mir so etwas schon vorstellen -- unter der
> Prämisse, daß man wirklich davon ausgehen muß, daß die Inhalte zum
> einen gefährlich sind, zum anderen auch tatsächlich von
> Schutzbedürftigen eingesehen werden.

ach, die Schutzbedürftigen!

Hey, wir reden hier nicht über etwas wie den Fernseher, der das Kinderzimmer
mit allem Bösen schon beim Einschalten überstrahlen würde.
Man kommt nicht von alleine auf Lauck ...


> Ich habe allerdings auch ein bißchen Probleme damit, daß man mit dem
> richtigen Parteibuch in den Medien ganz gemütlich gegen Türken hetzen
> kann, solange es bloß echte Türken sind und nicht die, die man immer
> gequält als "Mitbürger" bezeichnet (was offenbar wie "Mitfahrer" zu
> verstehen ist). Den Extremismus von Stormfront & Co. halte ich für
> deutlich harmloser, da er wesentlich leichter als Extremismus zu
> erkennen ist.

ja, das sehe ich auch so.
Wobei Stormfront da eher das falsche Beispiel ist, denn da stecken noch
diverse Sachen wie Diskussionsforen dahinter.


> Bricolage, ein Content-Management-System (das ursprünglich für
> Salon.com entwickelt wurde), hat deswegen z.B. eine Stufe "Legal Desk"
> im Veröffentlichungsprozeß. SPIEGEL ONLINE hat eine zeitlang *gar*
> *keine* Links veröffentlicht, die über das oberste Dutzend
> hinauswiesen.

Und genau DAS ist es, wovor es mir graust. Genau diese Einstellung und diese
Anwendung macht das Medium Hypertext kaputt.


> Entsprechende Konstrukte wären zumindest für Blogs denkbar, bei
> öffentlich archivierten Mailinglisten geht das zur Not auch. 

Also ein Vorzensur-System, auch wenn der Zensor nicht vom Staat kommt sondern
der Kollege nebenan ist. Prima. Tolle neue Informationsgesellschaft.


>> Wenn ich wegen so einem Dreck vor Gericht stehe, geht es mir
>> mitnichten darum nur den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Wir haben
>> hier auch die Gelegenheit, endlich mal Klarheit bzgl. Links zu
>> schaffen.
> 
> Höchstens im strafrechtlichen Bereich. Im Wettbewerbsrecht kommt es
> meist nicht auf das Verschulden an, und dort ist die Situation bereits
> geklärt worden, wenn auch in einer höchst unbefriedigenden Weise.

Wenn mich nicht alles täuscht sind die bisherigen Urteile des BGH in dieser
Hinsicht bisher recht netzfreundlich ausgefallen.


Ciao
  Alvar

- -- 
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