[FYI] [heise] Bundesrat: 6 Monate Datenspeicherung zur TK-Überwachung
Hallo,
---[schnipp]---
Bundesrat: 6 Monate Datenspeicherung zur TK-Überwachung
[19.12.2003 14:35 ]
-
Die Bundesländer wollen das Verhalten der Telekommunikationsnutzer
künftig vollständig überwachen. Wie der Bundesrat[1] am heutigen
Freitag in seiner Plenarabstimmung beschlossen hat, sollen alle beim
Telefonieren, beim Versand von SMS, beim E-Mailen oder beim Surfen
anfallenden und verarbeiteten "Verkehrsdaten" sechs Monate lang von
den Anbietern gespeichert werden. Zugang zu dem umfangreichen
Material, mit dem sich beispielsweise angerufene Nummern und
verwendete IP-Adressen verfolgen und konkrete Nutzerprofile erstellen
lassen, will die Länderkammer Strafverfolgern, Geheimdiensten und
Verfassungsschützern verschaffen und damit die präventive
Gefahrenabwehr nach den Terroranschlägen des 11. September verbessern.
In ersten Reaktionen auf das Votum sprachen Bürgerrechtler von einem
weiteren "Paradigmenwechsel" hin zum Überwachungsstaat. Auch die
Wirtschaft lehnt die Forderungen der Länderkammer geschlossen ab.
Eingebaut ist die neue Schnüffelklausel in die Stellungnahme des
Bundesrats zur umstrittenen Novelle es Telekommunikationsgesetzes
(TKG)[2]. Die Ländervertreter folgten dabei einer Vorlage des
Rechtsausschusses[3]. Nicht durchsetzen konnten sich die
Innenpolitiker des Bundesrats, die sogar auf eine zwölfmonatige
Vorratsdatenspeicherung gepocht hatten. Aber auch das Votum des
Wirtschaftsausschusses[4], der sich gegen eine Festlegung von
Speicherfristen ausgesprochen hatte, fand im Plenum keine Mehrheit.
Dies scheiterte vor allem an Niedersachsen, da die mit in der
Regierung befindliche FDP im Gegensatz zu anderen liberal geführten
Koalitionsländer für den Vorschlag des Rechtsausschusses war. Die
Abstimmung ging mitten im Sitzungsmarathon der Länderkammer und des
Bundestags über die Reform des Sozialstaats anhand der Ergebnisse des
Vermittlungsausschusses der beiden Gremien über die Bühne. Sie stand
daher nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Politiker, die sich eh
schon über den verspäteten Start in die Weihnachtspause ärgerten.
Über das Ausmaß der geforderten Datenmengen sind sich die Länder
vermutlich nicht im Klaren. Bei dem zu speichernden Material handle es
sich um "unvorstellbare" Informationsberge, erklärte Hannah Seiffert
vom eco Forum[5] gegenüber heise online. Die Mitglieder des
Providerverbands seien gerade dabei, die bei einzelnen Unternehmen
anfallenden "Giga- und Terabytes" genau zusammenzustellen. Für
Seiffert ist bereits klar, dass die Mengen weder von der Wirtschaft
noch vom Staat verarbeitbar sein werden. Das von den Ländern
vorgebrachte Argument, dass Speicherplatz inzwischen doch billig sei,
ziehe zudem nicht. Die Datenbanken müssten redundant ausgelegt, mit
einer automatischen Löschroutine nach der vorgegebenen Frist versehen
und gegen externe Zugriffe abgesichert werden. Damit würden vehemente
Kosten verursacht, die Provider vermutlich in Bereichen wie
Netzsicherheit einsparen müssten. Der eco hatte[6] genauso wie der
IT-Verband Bitkom[7] die Länder ferner gewarnt, dass ihr Ansinnen
gegen jegliche datenschutzrechtlichen Prinzipien der Datenvermeidung
und -sparsamkeit verstoße und nur neue Angriffspunkte auch für
Cybergangster biete.
Dass die Vorratsdatenspeicherung letztlich verfassungswidrig ist,
vermuten auch[8] die Datenschützer von Bund und Ländern sowie
Bürgerrechtsvereinigungen. "Die Schaffung von Datenfriedhöfen ohne
konkreten Verdacht steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts", erklärte der Sprecher der Humanistischen
Union[9], Nils Leopold, gegenüber heise online. Wolle man tatsächlich
jeden User pauschal beschatten, müsste man zunächst das
Volkszählungsurteil und das Recht auf die informationelle
Selbstbestimmung "für obsolet erklären". Denn die Verhältnismäßigkeit
einer Strafverfolgungsmaßname würde bei einem solchen Vorhaben
vollkommen außer Acht gelassen. In Frage komme höchstens ein
zeitweises Einfrieren der Verkehrsdaten auf Zuruf der
Staatsanwaltschaft bei konkreten Verdachtsmomenten.
Die Bundesregierung wird nun zunächst auf die Stellungnahme des
Bundesrats, die auch eine Stärkung der Wettbewerber der Deutschen
Telekom sowie eine Ausdehnung von Abhörverpflichtungen auch auf
Telekommunikationsanbieter für Hotels oder Firmennetze vorsieht,
antworten. Danach wird sich der Bundestag Anfang nächsten Jahres mit
der TKG-Reform und der Vorratsdatenspeicherung auseinandersetzen
müssen. (Stefan Krempl) / (jk[10]/c't)
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/newsticker/data/jk-19.12.03-007/
Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bundesrat.de
[2] http://www.heise.de/newsticker/data/anw-15.10.03-000/
[3] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-20.11.03-006
[4] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/42713
[5] http://www.eco.de/
[6] http://www.heise.de/newsticker/data/anw-16.12.03-014/
[7] http://www.heise.de/newsticker/data/anw-11.12.03-001/
[8] http://www.heise.de/newsticker/data/anm-25.11.03-000/
[9] http://www.humanistische-union.de/
[10] mailto:jk@xxxxxxxxxxx
---[schnapp]---
Tschuess, Tim.
--
'Die Autobahnen unterstehen der Laenderhoheit.'
-> Helmut Kohl auf die Frage nach Ausbau der Datenautobahn
--
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@xxxxxxxxxxxxxx
For additional commands, e-mail: debate-help@xxxxxxxxxxxxxx