Re: [FYI] Es wird Ernst mit den Jugendschutzbestimmungen im Internet, ICRA als Pilotprojekt fuer "Filtering" nach dem JMStV?
On Friday 24 October 2003 14:35, Alvar Freude wrote:
> - ICRA verabschiedet sich eindeutig von Selbstregulierung und Co,
> sprich: am Anfang wurde vehemennt abgelehnt, dass eine staatliche
> Instanz da Auflagen macht und mitbestimmt, nun wird das akzeptiert
> Inkl. Rating-Pflicht etc.
Da fragt man sich, ob den Verantwortlichen klar ist, was sie da tun. Bei
Filmen funktioniert das ja nur deswegen, weil Filme teure kommerzielle
Projekte sind, die darauf angewiesen sind, daß sie eine möglichst große
Reichweite haben. Hersteller von Filmen haben daher ein ureigenstes Interesse
daran, ihren Film möglichst niedrig zu raten.
Bei Webseiten ist es nicht so. Der weitaus überwiegende Content (aller Content
außer den wenigen kommerziell produzierten Sites) ist ja privat produziert,
und den Herstellern dieses Contents kann glaube ich nix egaler sein als die
Frage, ob Jugendliche ihre Seite sehen können. Im Sinne der
Arbeitseinsparnis, und der rechtlichen Sicherheit (besser zu hoch raten als
mit einem niedrigen Rating irgendwelche Abmahnungen zu riskieren) werden bei
der Einführung einer Ratingpflicht wahrscheinlich die meisten Leute das tun,
was ich auch schon getan habe:
<meta http-equiv="PICS-Label" content='(PICS-1.1 "http://www.rsac.org/
ratingsv01.html" l gen true r (n 4 s 4 v 4 l 4))'>
Auf Deutsch: Frei ab 18 und Scheiß auf die Leute hinter einem Filter.
Eine Pflicht zur Selbsteinstufung kann nur dann funktionieren, wenn die
Hersteller jugendfreien Contents also gezwungen werden, ihren Content auch
als jugendfrei zu raten. Andernfalls ändert sich gegenüber der jetzigen
Situation (ungerateter Content gilt als "Frei ab 18") genau gar nix.
> - "Das Internet wird sich verändern" war eine mehrfach geäußerte
> Meinung, bezogen auf das freie Kommunikationsnetz etc.
> Und zwar: das Internet so wie wir hier es kennen, sehen die meisten
> als nicht mehr haltbar an. Dies Zeichnet sich ja auch schon ab:
> je nach Interessensgebiet gibt es quasi RTL II, Spiegel Online
> oder T-Online.
Ein weiterer Punkt, der medienpolitisch nicht verstanden worden ist. Wenn die
Länge der Publishing Pipeline zwei oder kürzer ist, dann gibt es "das
Internet" als öffentlich wahrgenommenen Raum in dieser Form nicht mehr. Mein
"das Internet" ist von Deinem "das Internet" wahrscheinlich relativ
verschieden. "Das Internet", das meine Eltern wahrnehmen ist nach einer
kurzen Durchsicht von deren Bookmarks von meinem "das Internet" jedenfalls
mit einer Ausnahme vollkommen disjunkt.
Massenmedien zeichnen sich dadurch aus, daß man auf dem Schulhof oder der
Arbeit Gespräche über getrennt erlebte gemeinsame Ereignisse führen kann:
"Hast Du das Spiel gestern gesehen?" "Sag einmal, der Tatort gestern war ja
wirklich schlecht!" "Ich habe da gestern in den Nachrichten einen Beitrag
gehört über diesen Mercedes-Raser auf der Autobahn bei Karlsruhe.
Schrecklich."
Wenn ich mir die Bookmarks meiner Eltern und meine ansehe, sind solche
Gespräche nicht möglich. Mit meinen Kollegen sind solche Gespräche auf der
Basis von drei oder vier Sites (Slashdot, Linux Today, Heise Newsticker und
Google News, aber diese letzte Site ist wieder subjektiv je nach Suchbegriff)
möglich. Wenn man die Gesamtmenge der von uns im Laufe eines Tages besuchten
Sites vergleicht, wird der weitaus überwiegende Teil aber wieder
nichtüberlappend sein (Ich glaube kaum, daß jemand die Blogs liest, die ich
lese).
Andererseits gibt es einen Haufen Leute, die meine Öffentlichkeit mit mir
teilen. Das sind genau die Leute, deren Output ich auf diesen Sites lese, und
die mit mir zusammen dort diskutieren oder sonstwie Content erzeugen. Ich
habe den kleinsten Teil dieser Leute jemals physikalisch getroffen. Nukes,
Foren, Blogs, Gästebücher, Wikis, ...
Nur: Wie reguliert man so etwas?
> - die Anderen versuchen mit dem Internet Geld zu verdienen, und zwar
> durch Vermarktung von Inhalten etc, weniger durch das Angebot an
> Netzzugang
Das ist der Teil "das Internet", der noch am ehesten mit dem konventionellen
Regulierungsansatz der alten Massenmedien zu erwischen ist. Es ist aber der
kleinere Teil dessen, was ich als "das Internet" erlebe.
Kristian
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